Der Scout. Kleinere Reiseerzählungen, Aufsätze und Kompositionen
blieb nicht ohne Erfolg auf den gutherzigen Alten, denn er sagte:
»Nun wohl, wenn Ihr ohne unsern Rath keinen Weg der Rettung findet, so sollt Ihr ihn haben. Aber es beliebt uns nicht, uns von Eurem Häuptlinge kommandiren zu lassen. Sage ihm, daß er her zu uns kommen solle, wenn er mit uns sprechen will.«
»Das thut er nicht, denn er ist ein Häuptling.«
»Höre, Mann, ich bin ein viel größerer und berühmterer Häuptling als er. Ich kenne nicht einmal seinen Namen. Sage ihm das!«
»Auch kann er nicht gehen, selbst wenn er es wollte, weil er am Arm verwundet ist.«
»Seit wann gehen die Söhne der Comanchen nicht mehr auf den Beinen, sondern auf den Armen? Wenn er nicht zu uns kommen will, so mag er bleiben, wo er ist. Wir brauchen ihn und Euch Alle nicht!«
Das war in einem so entschiedenen Tone gesprochen, daß der Rothe nun doch meinte:
»Ich werde ihm die Worte Old Death’s mittheilen. Vielleicht kommt er doch.«
»So sage ihm aber, daß er allein kommen soll. Zu einer langen Berathung unter Vielen habe ich keine Lust. Nun gehe!«
Der Mann entfernte sich. Wir sahen ihn nach dem Feuer gehen und dort in den Kreis der Krieger treten. Eine geraume Zeit verging, ehe etwas geschah. Endlich sahen wir, daß eine Gestalt sich in der Mitte der Sitzenden erhob, das Lagerfeuer verließ und auf uns zukam. Er trug Adlerfedern auf dem Kopfe.
»Schaut, er hat dem todten ›weißen Biber‹ den Häuptlingsschmuck abgenommen und sich selbst angelegt. Jetzt wird er mit größter Grandezza herbeisteigen.«
Als der Häuptling näher kam, sahen wir, daß er allerdings den linken Arm in einem Riemen trug. Der Ort, an welchem wir uns befanden, mußte ihm ganz genau beschrieben worden sein, denn er kam grad auf denselben zu und blieb vor uns stehen. Er hatte wohl erwartet, angeredet zu werden, denn er sagte nichts. Old Death aber blieb ruhig liegen und schwieg. Wir Andern verhielten uns natürlich ganz ebenso.
»Mein weißer Bruder ließ mich bitten, zu ihm zu kommen?« fragte der Rothe nun doch.
»Old Death hat nicht nöthig, zu einer Bitte nieder zu steigen. Du wolltest mit mir sprechen. Also bist Du es, welcher zu bitten hat, wenn überhaupt von einer Bitte die Rede sein kann. Jetzt aber werde ich Dich sehr höflich ersuchen, mir Deinen Namen zu sagen. Ich kenne ihn noch nicht.«
»Er ist bekannt über die ganze Prairie. Ich werde der ›flinke Hirsch‹ genannt.«
»Ich bin auf allen Prairien gewesen, habe aber trotzdem diesen Namen nicht gehört. Du mußt sehr heimlich damit umgegangen sein. Nun aber, da ich ihn gehört habe, erlaube ich Dir, Dich zu uns zu setzen.«
Der Häuptling trat einen Schritt zurück. Erlauben wollte er sich nichts lassen; aber er fühlte sehr wohl, daß die Umstände ihn zwangen, nachzugeben. Darum ließ er sich langsam und gravitätisch Old Death gegenüber nieder, und nun erst richteten wir uns in sitzende Stellung auf. Erwartete der Comanche, daß der Scout das Gespräch beginnen werde, so hatte er sich geirrt. Letzterer behielt seine angenommene Gleichgiltigkeit bei, und der Rothe mußte anfangen:
»Die Krieger der Comanchen wollen eine große Berathung abhalten, und die Bleichgesichter sollen an derselben Theil nehmen, damit wir ihren Rath hören.«
»Das ist überflüßig. Ihr habt meinen Rath schon oft gehört und doch nie befolgt. Ich aber bin gewohnt, daß meine Worte Beachtung finden, und so werde ich von jetzt an meine Gedanken für mich behalten.«
»Will mein Bruder wohl bedenken, daß wir seiner Erfahrung bedürfen!«
»Ah, endlich! Haben die Apachen Euch belehrt, daß Old Death doch klüger war, als alle fünfhundert Comanchen? Wie ist Euer Angriff ausgefallen?«
»Wir konnten nicht durch den Ausgang, denn er war mit Steinen, Sträuchern und Bäumen versperrt.«
»Dachte es mir! Die Apachen haben die Bäume mit ihren Tomahawks gefällt, und Ihr hörtet es nicht, weil Ihr Eure Todten zu laut beklagtet. Warum habt Ihr das Feuer nicht verlöscht? Seht Ihr denn nicht ein, daß Ihr Euch dadurch in großen Schaden bringt?«
»Die Krieger der Comanchen mußten thun, was berathen worden war. Jetzt wird man etwas Klügeres beschließen. Du wirst doch mit uns sprechen?«
»Aber ich bin überzeugt, daß Ihr meinen Rath abermals nicht befolgen werdet.«
»Wir befolgen ihn.«
»Wenn Du mir das versprichst, so bin ich bereit, ihn Euch zu geben.«
»So komme mit mir zum Feuer!«
»Ich danke! Dorthin komme ich nicht. Es ist eine große Unvorsichtigkeit, ein Feuer zu
Weitere Kostenlose Bücher