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Der Scout. Kleinere Reiseerzählungen, Aufsätze und Kompositionen

Der Scout. Kleinere Reiseerzählungen, Aufsätze und Kompositionen

Titel: Der Scout. Kleinere Reiseerzählungen, Aufsätze und Kompositionen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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das geringste Leid gethan. Warum soll ich ihr Feind sein? Aber Ihr habt uns feindselig behandeln wollen. Du wolltest uns gefangen nehmen. Nun wäge ab, wer größeres Anrecht auf unsere Freundschaft hat, Ihr oder sie!«
    »Du trägst mein Calummet und meinen Medizinbeutel, also ist das, was Du sagst, grad so, als ob es meine Worte seien. Darum darf ich Dir nicht die Antwort geben, welche ich Dir geben möchte. Dein Rath taugt nichts. Du hast damit die Absicht, uns in die Hände der Apachen zu bringen. Wir werden nun selbst wissen, was wir zu thun haben.«
    »Nun, wenn Ihr das wißt, warum willst Du dann meinen Rath haben? Wir sind fertig und haben nichts mehr zu besprechen.«
    »Ja, wir sind fertig,« stimmte der Comanche bei. »Aber bedenke wohl, daß Du trotz des Schutzes, unter welchem Du jetzt noch stehest, unser Feind bist. Du darfst mein Calummet und meine Medizin nicht behalten. Du wirst sie hergeben müssen, ehe wir diesen Ort verlassen, und dann wird Alles über Dich kommen, was Du veranlasset hast.«
    »
Well!
Ich bin einverstanden. Was über mich kommen soll, erwarte ich mit großer Ruhe. Du hast Old Death gedroht, sogar mit dem Tode am Marter-Pfahle. Ich wiederhole, daß wir mit einander fertig sind, und Du kannst gehen.«
    »Uff!« stieß der Häuptling wild hervor. Dann wendete er sich ab und kehrte gemessenen Schrittes nach dem Feuer zurück. Wir konnten seine Gestalt nicht mit unsern Blicken verfolgen, denn unsere Aufmerksamkeit wurde auf einer andern Seite in Anspruch genommen, auf einer Seite, von woher wir es gar nicht gedacht hatten. Kaum hatte sich nämlich der Comanche von uns entfernt, so raschelte es hinter uns, und eine dunkle Gestalt erhob sich, welche da zwischen uns und der Felswand gelegen hatte. Im Nu war Old Death auf den Beinen und wir mit ihm.
    »Meine Brüder mögen still sein,« sagte die Gestalt. »Ich bin ein Freund der Bleichgesichter.«
    »Wer bist Du?« fragte Old Death.
    »Erkennst Du den nicht, dem Ihr vorhin das Leben schenktet, obgleich er sich in Eurer Gewalt befand?«
    »Winnetou?« fragte der Alte erstaunt. »Alle Teufel! Nur Winnetou konnte es fertig bringen, sich hinter Old Death zu schleichen, ohne von ihm bemerkt zu werden. Das ist ein Meisterstück, welches ich mir nicht fertig zu bringen getraue.«
    »Winnetou hat gelernt, wie die Schlange zu kriechen, welche selbst vom leisesten Ohre nicht gehört wird.«
    »Aber Du begibst Dich ja in eine ganz außerordentliche Gefahr! Du hast Dich durch die Posten und dann noch bis hierher schleichen müssen und mußt auch wieder zurück.«
    »Nein, das habe ich nicht. Die Bleichgesichter sind meine Freunde, und ich kann ihnen mein Vertrauen schenken. Dieses Thal liegt im Gebiete der Apachen, und Winnetou hat es zu einer Falle eingerichtet für Feinde, welche etwa bei uns eindringen wollen. Diese Felswände sind nicht so unwegbar wie es scheint. Die Apachen haben einen schmalen Pfad angelegt, welcher in der Höhe mehrerer Männer rund um das Thal läuft. Durch einen Lasso kommt man leicht hinauf und wieder herab. Die Comanchen sind durch meine Kundschafterin diese Falle gelockt worden und sollen darin untergehen.«
    »Ist ihr Tod denn wirklich beschlossen?«
    »Ja. Winnetou hat Dein Gespräch mit dem Häuptling gehört und aus demselben ersehen, daß Du Dich zur Seite der Apachen neigest. Du hast gesagt, was die Comanchen an uns verbrochen haben, und gibst es zu, daß wir diesen vielfältigen Mord zu rächen haben.«
    »Aber müssen deßwegen Ströme Blutes fließen?«
    »Du hast selbst gehört, daß die Comanchen weder ihre Sünde bekennen, noch das thun wollen, was Du ihnen riethest und was die Klugheit ihnen gebietet. So mag nun ihr Blut über sie selbst kommen. Die Apachen werden ein Beispiel geben, wie sie den Verrath zu bestrafen wissen. Das müssen sie thun, um vor Wiederholungen sicher zu sein.«
    »Es ist grauenhaft! Doch fühle ich keinen Beruf, meinen Rath abermals vor Ohren hören zu lassen, welche desselben gar nicht zu bedürfen vermeinen.«
    »Du würdest abermals nicht gehört. Ich vernahm aus Deinen Worten, daß Du die Heiligthümer des Häuptlings besitzest. Wie bist Du zu ihnen gekommen?«
    Old Death erzählte es. Als er geendet hatte, sagte Winnetou:
    »Da Du ihm versprochen, sie ihm wiederzugeben, so mußt Du Dein Wort halten. Du wirst sie ihm gleich jetzt geben und zu uns kommen. Ihr werdet als Freunde bei uns aufgenommen werden. Winnetou wurde während seines Lebens zum ersten Male besiegt; sein Leben und

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