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Der Scout. Kleinere Reiseerzählungen, Aufsätze und Kompositionen

Der Scout. Kleinere Reiseerzählungen, Aufsätze und Kompositionen

Titel: Der Scout. Kleinere Reiseerzählungen, Aufsätze und Kompositionen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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sein Scalp gehörten diesem jungen Manne, der ihm weder das eine, noch den anderen genommen hat. Ihr könnt von dem Häuptlinge der Apachen Alles verlangen, was er vermag. Er wird es Euch geben.«
    »Gleich jetzt sollen wir zu Euch kommen?«
    »Ja. Winnetou hat sich aufgemacht, um Euch das zu sagen und Euch zu seinen Apachen zu holen. In drei Stunden werden über sechshundert Krieger der Apachen hier ankommen. Viele von ihnen haben Gewehre. Ihre Kugeln streichen über das Thal weg, und Euer Leben ist nicht mehr sicher.«
    »Aber wie sollen wir es anfangen, zu Euch zu kommen?«
    »Das fragt Old Death?«
    »Hm, ja! Wir setzen uns auf die Pferde und reiten zum Lagerfeuer. Dort gebe ich dem Häuptlinge seine Heiligthümer zurück, und dann sprengen wir fort, den Apachen entgegen. Die im Wege stehenden Posten reiten wir nieder. Wie aber kommen wir über die Barrikaden hinweg?«
    »Sehr leicht. Wartet nur, wenn ich hier fort bin, noch zehn Minuten, bevor Ihr aufbrecht. Dann werde ich rechts, am Ausgange des Thales stehen und Euch empfangen.«
    Er huschte davon. Wir standen da und sahen uns trotz der Dunkelheit erstaunt in die Gesichter.
    »Na, was sagt Ihr nun?« fragte Old Death.
    »Ein außerordentlicher Mann!« antwortete Lange.
    »Darüber gibt es gar keinen Zweifel. Wäre dieser Mann ein Weißer, ein Soldat, er könnte es bis zum Feldherrn bringen. Und wehe den Weißen, wenn es ihm in den Sinn käme, die Rothen um sich zu versammeln, um ihre angestammten Rechte zu verfechten. Er aber liebt den Frieden und weiß, daß die Rothen trotz allen Sträubens dem Untergange gewidmet sind, und verschließt die fürchterliche Last dieser Ueberzeugung still in seiner Brust. Na, setzen wir uns also auf zehn Minuten wieder nieder.«
    Es blieb so ruhig im Thale, wie es in der letzten halben Stunde gewesen war. Die Comanchen beriethen noch. Nach zehn Minuten stand Old Death wieder auf und stieg in den Sattel.
    »Macht genau das nach, was ich thue!« sagte er.
    Langsamen Schrittes ritten wir bis zum Lagerplatze. Der Kreis der Comanchen öffnete sich, und wir ritten in denselben hinein. Wären die Gesichter nicht bemalt gewesen, so hätten wir gewiß das größte Erstaunen in denselben bemerken können.
    »Was wollt Ihr hier?« fragte der Häuptling, indem er aufsprang. »Weßhalb kommt Ihr zu Pferde?«
    »Wir kommen als Reiter, um den tapfern und klugen Kriegern der Comanchen eine Ehre zu erweisen. Nun, was werdet Ihr also thun?«
    »Die Berathung ist noch nicht zu Ende. Aber steigt ab! Ihr seid unsere Feinde, und wir dürfen nicht zugeben, daß Ihr zu Pferde seid. Oder kommst Du vielleicht, mir meine Heiligthümer zurück zu bringen?«
    »Wäre das nicht sehr unklug von mir gehandelt? Du hast ja gesagt, daß von dem Augenblicke an, an welchem Du Dein Eigenthum zurück hast, Feindschaft zwischen Euch und uns sein solle, bis wir am Marterpfahle sterben.«
    »So wird es sein. Ich habe es gesagt, und ich halte Wort. Der Zorn der Comanchen wird Euch vernichten!«
    »Wir fürchten uns so wenig vor diesem Zorne, daß ich die Feindschaft gleich jetzt beginnen lasse. Da hast Du Deine Sachen! Und nun seht, was Ihr uns thun könnt!«
    Er riß die beiden Gegenstände vom Halse und schleuderte sie weit von sich. Zugleich spornte er sein Pferd an, daß es in einem weiten Bogen über das Feuer wegsetzte und drüben eine Bresche in die Reihen der Comanchen riß. Sam, der Neger, war der erste hinter ihm. Er ritt den Häuptling nieder. Wir anderen drei folgten augenblicklich. Zehn oder fünfzehn Comanchen wurden umgeritten, dazu einer der draußen dem voranstürmenden Old Death im Wege stehenden Posten; dann flogen wir über die ebene Grasfläche hin, verfolgt von einem unbeschreiblichen Wuthgeheul unserer bisherigen so unzuverläßigen Freunde.
    »Uff!« rief uns eine Stimme entgegen. »Anhalten. Da steht Winnetou!«
    Wir parirten die Pferde. Vor uns stand eine Anzahl Apachen, welche unsere Thiere an den Zügeln nahmen, als wir abgestiegen waren. Winnetou geleitete uns nach der Enge, welche aus dem Thale führte. Dort war bereits Platz gemacht worden, so daß wir und auch die Pferde einzeln passiren konnten.
    Als wir die Barrikade hinter uns hatten, wurde der Ausgang breiter, und bald sahen wir einen hellen Schein. Die Enge öffnete sich, und nun erblickten wir ein schwach brennendes Feuer, an welchem zwei Rothe bei einem improvisirten Bratspieße hockten. Sie entfernten sich ehrerbietig, als wir uns näherten. Auch die andern Apachen zogen sich

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