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Der Scout. Kleinere Reiseerzählungen, Aufsätze und Kompositionen

Der Scout. Kleinere Reiseerzählungen, Aufsätze und Kompositionen

Titel: Der Scout. Kleinere Reiseerzählungen, Aufsätze und Kompositionen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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ein Jüngling. Was Ihr braucht, das kann ich Euch nicht jetzt geben, sondern erst dann, wenn die erwarteten Krieger angekommen sind.«
    »Das dauert nach dem, was Du uns vorhin sagtest, noch zwei Stunden! Das ist allzu lang.«
    »Nein. Ihr sollt diesen Verzug wieder einholen. Ich gebe Euch mehrere meiner Leute mit, welche Euch auf einem andern Weg begleiten werden, wo Ihr die Weißen einholt, bis nach Chihuahua, noch weiter, so lange Ihr ihrer Hilfe bedürft.«
    »Dafür sind wir Dir sehr dankbar. Ich bin zwar auch eine Strecke nach der Mapimi hinauf gekommen, aber so weit hinein und hinüber denn doch nicht.«
    »Eure Pferde taugen nicht für diesen Ritt, weil sie die Ebene gewöhnt sind. Ich werde Euch an ihrer Stelle andere geben, welche in der Mapimi geboren und geritten worden sind. Wenn nicht etwas ganz Unvorhergesehenes geschieht, so habt Ihr am Mittag des zweiten Tages die Weißen eingeholt.«
    Da kam ein Apache aus dem Thale gelaufen und meldete:
    »Die Hunde der Comanchen haben das Feuer verlöscht und sind vom Lagerplatze fort. Sie haben einen Angriff vor.«

»Sie werden wieder abgewiesen werden, wie vorher,« antwortete Winnetou. »Wenn meine weißen Brüder mitkommen, werde ich sie dahin stellen, von wo aus sie Alles hören können.«
    Wir standen natürlich sofort auf. Er führte uns in die Enge zurück, fast bis an die Barrikade. Dort gab er ein am Felsen niederhängendes Lasso in Old Death’s Hand und sagte:
    »Turnt Euch an dem Riemen empor, zweimal so hoch, wie ein Mann ist. Dort werdet Ihr Sträucher finden und hinter ihnen den Weg, von welchem ich Euch gesagt habe. Ich kann nicht mit hinauf, sondern muß zu meinen Kriegern.«
    Er nahm etwas da am Felsen Lehnendes mit sich. Es war seine Büchse.
    »Hm!« brummte der Scout. »An so einem dünnen Lasso zwölf Fuß empor zu kriechen! Ich bin doch kein Affe, der gelernt hat, zwischen Lianen herum zu klettern. Wollen es versuchen.«
    Es gelang ihm doch. Ich folgte ihm, und auch die Anderen kamen nach, freilich nur mit Schwierigkeit. Der Felsen trug da einen Baum, um dessen Stamm das Lasso geschlungen war. Daneben standen Sträucher, welche den Steig verdeckten. Da es so dunkel war, daß wir uns anstatt der Augen des Gefühles oder vielmehr des Tastsinnes bedienen mußten, tappten wir uns mit Hilfe der Hände eine kleine Strecke fort, bis Old Death stehen blieb. An den Felsen gelehnt, warteten wir nun, was kommen werde. Mir schien es, als ob die Stille des Todes auf dem Thale liege. So sehr ich mein Ohr anstrengte, ich konnte nichts hören, als ein leises Schnüffeln, welches aus der Nase Old Death’s kam. Daß der Alte weit mehr bemerkte als ich, der ich eben weder etwas sah, noch etwas hörte oder roch, das bewies er, indem er mir zuflüsterte:
    »Dumme Kerle, die Comanchen! Meint Ihr nicht, Sir?«
    Ich wußte nicht, weßhalb er sie so nannte.
    »Na, ist das eine Frage! Riecht Ihr nichts?«
    »Nein.«
    »Da drüben rechts riecht es nach Pferden, nach Pferden, welche sich bewegen. Das ist nämlich etwas ganz Anderes, als Pferde, welche unbeweglich stehen. Ueber stillstehenden Pferden liegt der Geruch dick und unbeweglich; man kann die Nase, so zu sagen, hineinstoßen. Sobald aber die Pferde sich bewegen, kommt auch er in Bewegung, wird feiner und flüssiger und leicht davongetragen. So unglaublich es klingen mag, der Westmann merkt aus der Dichtheit oder Dünne dieses Geruches, ob er stehende oder laufende Pferde vor sich hat. Natürlich ruhige Luft vorausgesetzt. Jetzt kommen nun von da rechts solche leichte Pferdelüftchen herüber, und meinen alten Ohren war es auch, als ob sie das Stolpern eines Pferdehufes vernommen hätten, leicht und dumpf wie auf Grasboden. Ich calculire, daß die Comanchen jetzt sich leise nach dem Eingange hinziehen, um da durchzubrechen.«
    Da hörten wir eine helle Stimme rufen:
    »Ntsa-ho!«
    Dieses Wort bedeutet »Jetzt«. Im Augenblicke darauf krachten zwei Schüsse – Winnetou’s Silberbüchse. Revolverschüsse folgten. Ein unbeschreibliches Geheul erscholl zu uns herauf. Wilde Indianerrufe schrillten über das Thal; Tomahawks klirrten. Der Kampf war ausgebrochen.
    Er währte nicht lange. Durch das Schnauben und Wiehern der Pferde und das Wuthgeschrei der Comanchen, brach sich das siegreiche »Iwiwiwiwiwi« der Apachen Bahn. Wir hörten, daß die ersteren sich in wilder Flucht zurückzogen. Ihre Schritte und das Stampfen ihrer Pferde entfernten sich nach der Mitte des Thales hin.
    »Habe ich es nicht gesagt!«

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