Der Scout. Kleinere Reiseerzählungen, Aufsätze und Kompositionen
ein günstiges gewesen, denn sie hatten sich in den Schutz der Rothen begeben. Ihre bisherigen Führer, die beiden Apachen, welche wir erst als Topia’s kennen gelernt hatten, waren von ihnen verabschiedet worden. Die Spuren dieser beiden Reiter trennten sich hier von den übrigen.
Nach einer Weile erreichten wir einen Höhenzug, welcher mit Gras und Gestrüpp bewachsen war. Von demselben kam, hier eine Seltenheit, ein dünnes Bächlein herabgeflossen. Da hatten die von uns Verfolgten gehalten, um ihre Pferde zu tränken. Die Ufer des Baches waren vollständig strauchlos, so daß man den Lauf desselben sehr weit verfolgen konnte. Er floß nach Nordwest. Old Death stand da, beschattete mit der Hand seine Augen und blickte in der soeben angegebenen Richtung. Nach dem Grunde befragt, antwortete er:
»Ich sehe weit vor uns zwei Punkte. Ich calculire, daß es Wölfe sind. Aber was haben die Bestien dort zu sitzen? Ich calculire, wenn es wirklich welche wären, so würden sie vor uns davon gelaufen sein, denn kein Thier ist so feig wie diese Prairiewölfe.«
»Meine Brüder mögen schweigen. Ich hörte etwas,« sagte der »alte Jüngling«.
Wir vermieden alles Geräusch, und wirklich, da klang von dort her, wo sich die beiden Punkte befanden, ein schwacher Ruf zu uns herüber.
»Das ist ein Mensch,« rief Old Death. »Wir wollen hin.«
Er stieg auf und wir mit ihm. Als wir uns der Stelle näherten, erhoben sich die beiden Thiere und trollten davon. Sie hatten am Ufer des Baches gesessen, und mitten im Bache erblickten wir einen unbedeckten menschlichen Kopf, welcher aus dem Wasser sah. Das Gesicht wimmelte von Mücken, welche in den Augen, den Ohren, in der Nase und zwischen den Lippen saßen.
»Um Gotteswillen, rettet mich, Sennores!« stöhnte es aus dem Munde. »Ich kann es nicht länger aushalten.«
Wir warfen uns natürlich sofort von den Pferden.
»Was ist’s mit Euch?« fragte Old Death in spanischer Sprache, da der Mann sich derselben bedient hatte. »Wie seid Ihr denn in das Wasser gerathen? Warum kommt Ihr nicht heraus? Es ist ja kaum zwei Fuß tief!«
»Man hat mich hier eingegraben.«
»Warum? Alle Teufel! Einen Menschen eingraben! Wer hat es gethan?«
»Indianer und Weiße.«
Wir hatten gar nicht darauf geachtet, daß von dem Tränkplatze mehrere Fußspuren bis hierher führten.
»Dieser Mann muß schleunigst heraus. Kommt, Mesch’ schurs! Wir graben ihn aus, und da wir keine Werkzeuge haben, so nehmen wir unsere Hände.«
»Der Spaten liegt hinter mir im Wasser. Sie haben ihn mit Sand zugedeckt,« sagte der Mann.
»Ein Spaten? Wie kommt denn Ihr zu so einem Werkzeuge?«
»Ich bin Gambusino. 9 Wir haben stets Hacke und Spaten bei uns.«
Der Spaten wurde gefunden, und nun traten wir in das Wasser und gingen an die Arbeit. Das Bett des Baches bestand aus leichtem, tiefem Sande, welcher sich unschwer ausgraben ließ. Wir sahen jetzt erst, daß hinter dem Manne eine Lanze eingestoßen worden war, an welche man ihm den Hals in der Weise festgebunden hatte, daß er den Kopf nicht nach vorn beugen konnte. So befand sich sein Mund nur drei Zoll über dem Wasser, ohne daß es ihm möglich gewesen wäre, einen einzigen Schluck zu trinken. Außerdem hatte man ihm das Gesicht mit frischem, blutigen Fleische eingerieben, um Insekten anzulocken, die ihn peinigen sollten. Er hatte sich nicht aus seiner Situation befreien können, weil ihm die Hände auf den Rücken und die Füße zusammengebunden worden waren. Das Loch, welches man für ihn gegraben hatte, war über zwei Ellen tief. Als wir ihn endlich aus demselben hoben und von den Fesseln befreiten, sank er in Ohnmacht. Kein Wunder, denn man hatte ihn von allen Kleidungsstücken entblößt und seinen Rücken blutrünstig geschlagen.
6. Kapitel
In der Bonanza
Der arme Mensch kam bald wieder zu sich. Er wurde nach der Stelle getragen, an welcher wir auf den Bach getroffen waren; weil dort gelagert werden sollte. Der Mann bekam zunächst zu essen. Dann holte ich mein Reservehemde aus der Satteltasche, damit er verbunden werden konnte. Nun erst war er im Stande, uns die erwünschte Auskunft zu geben.
»Ich bin als Gambusino zuletzt in einer Bonanza 10 thätig gewesen,« sagte er, »welche eine Tagereise von hier zwischen den Bergen liegt. Ich hatte da einen Kameraden, einen Yankee, Namens Harton, welcher – –«
»Harton?« unterbrach ihn Old Death schnell. »Wie ist sein Vorname?«
»Fred.«
»Wißt Ihr, wo er geboren wurde und wie alt er
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