Der Scout. Kleinere Reiseerzählungen, Aufsätze und Kompositionen
ist?«
»In New-York ist er geboren und vielleicht sechzig Jahre alt.«
»Wurde davon gesprochen, daß er Familie hat?«
»Seine Frau ist gestorben. Er hat einen Sohn, welcher in Frisco irgend ein Handwerk treibt, welches, das weiß ich nicht. Ist Euch der Mann bekannt?«
Old Death hatte seine Fragen in ungemein heftiger Weise ausgesprochen. Seine Augen leuchteten, und seine tief eingesunkenen Wangen glühten. Jetzt aber gab er sich Mühe, ruhig zu erscheinen, und antwortete in gemäßigtem Tone:
»Hab’ ihn früher einmal gesehen. Soll sich in sehr guten Verhältnissen befunden haben. Hat er Euch nichts davon erzählt?«
»Ja. Er war der Sohn anständiger Eltern und wurde Kaufmann. Er brachte es nach und nach zu einem guten Geschäfte, aber er hatte einen mißrathenen Bruder, der sich wie ein Blutegel an ihn hing und ihn aussaugte.«
»Habt Ihr erfahren, wie dieser Bruder hieß?«
»Ja. Sein Vorname war Henry.«
»Stimmt. Hoffentlich gelingt es mir, Euern Harton einmal zu sehen!«
»Schwerlich. Er wird am längsten gelebt haben, denn die Halunken, welche mich eingruben, haben ihn mit sich genommen.«
Old Death machte eine Bewegung, als ob er aufspringen wolle, doch gelang es ihm, sich zu beherrschen und in ruhigem Tone zu fragen:
»Wie ist denn das gekommen?«
»So, wie ich es erzählen wollte, bevor ich von Euch unterbrochen wurde. Harton war also Kaufmann, wurde aber von seinem Bruder um sein ganzes Vermögen betrogen. Mir scheint, er liebt noch heute jenen gewissenlosen Buben, der ihn um Alles brachte. Nachdem er verarmt war, trieb er sich lange Zeit als Digger in den Placers herum, hatte aber niemals Glück. Dann wurde er Vaquero, kurz, alles Mögliche, aber immer ohne Erfolg, bis er zuletzt unter die Gambusino’s ging. Aber zum Abenteurer hat er das Zeug nicht. Als Gambusino ist es ihm noch viel schlechter ergangen als vorher.«
»So hätte er keiner werden sollen!«
»Ihr habt gut reden, Sennor. Millionen Menschen werden das nicht, wozu sie Geschick hätten, sondern das, wozu sie am allerwenigsten taugen. Vielleicht hatte er einen heimlichen Grund unter die Gambusino’s zu gehen. Sein Bruder ist nämlich einer gewesen, und zwar ein sehr glücklicher. Vielleicht hoffte er, ihn in dieser Weise einmal zu treffen.«
»Das ist Widerspruch. Dieser lüderliche Bruder soll ein glücklicher Gambusino gewesen sein und doch seinen Bruder um das ganze Vermögen betrogen haben? Ein glücklicher Gambusino hat doch das Geld in Hülle und Fülle.«
»Ja, aber wenn er es schneller verpraßt als er es findet oder verdient, so ist es eben alle. Er war im höchsten Grade ein Verschwender! Zuletzt kam Harton nach Chihuahua, wo er sich von meinem Prinzipal engagiren ließ. Hier lernte ich ihn kennen und lieb gewinnen. Das ist eine große Seltenheit, denn es läßt sich leicht denken, daß die Gambusino’s im höchsten Grade eifersüchtig gegen und neidisch auf einander sind. Von da an sind wir mit einander auf Entdeckungen gegangen.«
»Wie heißt denn Euer Herr?«
»Davis.«
»Wetter! Hört mal, Sennor, sprecht Ihr auch englisch?«
»So gut wie spanisch.«
»So habt die Güte, englisch zu reden, denn hier sitzen zwei, welche das Spanische nicht verstehen und sich doch außerordentlich für Eure Erzählung interessiren werden.«
Er deutete auf die beiden Lange’s.
»Warum interessiren?« fragte der Gambusino.
»Das werdet Ihr sofort erfahren. Hört, Master Lange, dieser Mann ist ein Goldsucher und steht im Dienste eines gewissen Davis in Chihuahua.«
»Was? Davis?« fuhr Lange auf. »Das ist ja der Prinzipal meines Schwiegersohnes?«
»Nur nicht so schnell, Sir! Es kann mehrere Davis geben.«
»Wenn dieser Master den Davis meint, welcher das einträgliche Geschäft betreibt, Gold-und Silberminen zu kaufen, so gibt es nur einen einzigen dieses Namens,« erklärte der Gambusino.
»So ist er es!« rief Lange. »Kennt Ihr den Herrn, Sir?«
»Natürlich! Ich stehe ja in seinem Dienste.«
»Und auch meinen Schwiegersohn?«
»Wer ist das?«
»Ein Deutscher, Namens Uhlmann. Er hat in Freiburg studirt.«
»Das stimmt. Er ist Bergwerksdirektor geworden mit höchst ansehnlichen Tantièmen. Und seit einigen Monaten steht die Sache gar so, daß er nächstens Compagnon sein wird. Ihr seid also sein Schwiegervater?«
»Natürlich! Seine Frau, die Agnes, ist meine Tochter.«
»Wir nennen sie Sennora Ines. Sie ist uns Allen wohl bekannt, Sir! Ich habe gehört, daß ihre Eltern in Missouri wohnen. Wollt Ihr
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