Der Scout. Kleinere Reiseerzählungen, Aufsätze und Kompositionen
das Aussehen eines Mörders, welcher sich vornimmt, um keinen Preis Nachsicht mit seinem Opfer zu haben. Seine Stimme klang fast heiser, als er fragte:
»Und glaubt Ihr, daß sie von hier aus nach der Bonanza sind?«
»Ja. Sie wollen die Bonanza überfallen und ausrauben. Es sind dort große Vorräthe an Munition, Proviant und sonstigen Gegenständen, welche für einen Spitzbuben großen Werth haben. Auch Silber gibt es da in Menge.«
»Alle Teufel! Sie werden theilen wollen. Die Weißen nehmen das Metall und die Rothen das Andere. Wie weit ist es bis dahin?«
»Ein tüchtiger Tagesritt, so daß sie morgen Abend dort ankommen können, wenn Harton nicht den Rath befolgt, welchen ich ihm gab.«
»Welchen?«
»Er solle sie einen Umweg führen. Ich dachte, daß doch vielleicht Jemand des Weges kommen könne, um mich zu erlösen. In diesem Falle wollte ich ihn bitten, schleunigst nach der Bonanza zu reiten, um die Leute dort zu warnen. Ich selbst hätte freilich nicht mitreiten können, denn ich hatte kein Pferd.«
Der Alte blickte eine kurze Weile sinnend vor sich nieder. Dann sagte er:
»Ich möchte am allerliebsten augenblicklich fort. Wenn man jetzt aufbricht, kann man der Fährte dieser Schufte folgen, aber auch nur, bis es dunkel ist. Könnt Ihr mir dann nicht den Weg so genau beschreiben, daß ich ihn des Nachts finde?«
Der Mann verneinte und warnte entschieden vor einem nächtlichen Ritt. Old Death beschloß also, bis zum nächsten Morgen zu warten.
»Wir fünfzehn,« fuhr er fort, »haben es mit vierzig Rothen und zehn Weißen zu thun, macht zusammen fünfzig; da meine ich nicht, daß wir uns fürchten müssen. Wie waren denn die Tschimarra bewaffnet?«
»Nur mit Lanzen, Pfeil und Bogen. Nun aber haben sie uns unsere beiden Gewehre und Revolver abgenommen,« antwortete der Gambusino.
»Das thut nichts, da sie nicht verstehen, mit solchen Waffen umzugehen. Uebrigens werden wir uns alle Umstände zu Nutzen machen. Dazu ist es nöthig, zu erfahren, wo und wie die Bonanza liegt. Ihr sagtet, sie sei nur durch einen Zufall zu finden. Das begreife ich nicht. Bei einer Bonanza gibt es wahrscheinlich Wasser. Dieses fließt in einer Schlucht, einem Cannon, und das ist doch in dieser offenen, baumlosen Gegend zu finden. Beschreibt mir den Ort einmal!«
»Denkt Euch eine tief in den Wald eingeschnittene Schlucht, welche sich in ihrer Mitte erweitert und rund von steilen Kalkfelsen eingeschlossen ist! Diese Kalkfelsen sind ungeheuer reich an Silber-, Kupfer-und Bleilagern. Der Hochwald tritt von allen Seiten bis an die Kante dieser Schlucht heran und sendet sogar Bäume und Sträucher an den Wänden derselben herab. Im Hintergrunde entspringt ein Wasser, welches gleich stark und voll wie ein Bach aus der Erde tritt. Die Schlucht oder vielmehr dieses Thal ist fast zwei englische Meilen lang. Aber trotz dieser bedeutenden Länge gibt es nirgends eine Stelle, an welcher man von oben herniedersteigen könnte. Der einzige Ein-und Ausgang ist da, wo das Wasser aus dem Thale tritt. Und dort schieben sich die Felsen so eng zusammen, daß neben dem Wasser nur Raum für drei Männer oder zwei Reiter bleibt.«
»So ist der Ort doch ungemein leicht gegen einen Ueberfall zu vertheidigen!«
»Gewiß. Einen zweiten Eingang gibt es nicht, wenigstens nicht für Leute, welche nicht zu den jetzigen Bewohnern des Thales gehören. In der Mitte des Thales wird gearbeitet. Da war es beschwerlich, in gebotenen Fällen stets eine halbe Stunde weit zu gehen, um aus dem Thale zu kommen. Darum hat Sennor Uhlmann einen Aufstieg errichten lassen, welcher an einer geeigneten Stelle angebracht wurde. Dort steigt der Fels nicht senkrecht, sondern stufenweise empor. Der Sennor ließ Bäume fällen und auf die verschiedenen Absätze so herabstürzen, daß sie gegen den Felsen gelehnt liegen blieben. Dadurch wurde eine von oben bis ganz herab gehende Masse von Stämmen, Aesten und Zweigen gebildet, unter deren Schirm man Stufen einhaute. Kein Fremder kann dieselben sehen.«
»Oho! Ich mache mich anheischig, diese famose Treppe sofort zu entdecken. Ihr selbst habt Euch verrathen durch das Fällen der Bäume. Wo Bäume künstlich entfernt worden sind, da müssen sich Menschen befinden oder befunden haben.«
»Wenn Ihr an die betreffende Stelle kommt, so ahnt Ihr gar nicht, daß die Bäume da künstlich mit Hilfe von Seilen, Lasso’s und unter großer Anstrengung, ja sogar Lebensgefahr hinabgelassen worden sind. Versteht mich wohl! Sie sind
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