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Der Scout. Kleinere Reiseerzählungen, Aufsätze und Kompositionen

Der Scout. Kleinere Reiseerzählungen, Aufsätze und Kompositionen

Titel: Der Scout. Kleinere Reiseerzählungen, Aufsätze und Kompositionen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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hoffentlich können wir ihn ebenso gut in unsern Schutz nehmen, wie er uns in den seinigen.«
    Old Death war eben nicht der Mann, der sich gern sagen ließ, daß man ihn unter den Schutz eines Andern stelle. Mir aber war es sehr lieb, daß uns solch ein tüchtiger junger Krieger begleitete. Ich hoffte, von ihm zu profitiren, wenn auch nur in Beziehung auf das Reiten. Nun kam es zum Abschiede. Der Indianer liebt es keineswegs, seine Gefühle in der Weise zu äußern wie ein Weißer. Winnetou aber machte heute eine Ausnahme. Er umarmte mich, küßte mich auf die Wange, hing mir sein Calummet um den Hals und sagte:
    »Mein Herz gehört Dir und also auch mein Arm. Du hast bereits das Totem des ›guten Mannes‹, aber die Friedenspfeife Winnetou’s wird Dich noch besser schützen. Der Apache, dem Du sie zeigst, wird bereit sein, Dir sein Leben zu schenken. Reite hin, und der große Geist beschütze Dich! Ich werde täglich zu ihm sagen, daß ich Dich wiederzusehen wünsche. Führt er mich dann einmal mit Dir zusammen, so wollen wir Brüder sein, einer gleich dem andern.«
    Er sah noch einmal nach dem Verbande, welchen er mir während der Nacht angelegt hatte, drückte mir die Hand, drehte sich um und schritt, ohne sich nochmals umzusehen, von dannen, in das Thal hinein. Wir stiegen auf und ritten fort, voran die zehn Apachen.
    Ich war von diesem Abschiede tief ergriffen. Winnetou hatte einen ganz unbeschreiblichen Eindruck auf mich gemacht, einen Eindruck, welcher selbst dann für das ganze Leben vorgehalten hätte, wenn ich diesem Manne nie wieder begegnet wäre. So ritt ich, in tiefes Sinnen versunken, weiter auf nichts und Niemand achtend als nur allein auf das Bild, welches Winnetou in mir zurücklassen hatte. Endlich mußte ich aber doch mehr als bisher auf mein Pferd Acht geben, welches begann, mir zu schaffen zu machen. Der »alte Jüngling«, so hieß der Anführer von Winnetou’s Leuten, bemerkte das und gesellte sich zu mir, um sich meiner freundlich anzunehmen.
    Er stand ungefähr in meinem Alter und sah nicht sehr verwegen aus. Jedenfalls war ich ihm von Winnetou ganz besonders anempfohlen worden, denn er strömte geradezu über in Freundlichkeiten und Aufmerksamkeiten für mich. Er hatte die Mapimi nach allen Richtungen durchkreuzt, behauptete, sie ganz genau zu kennen und schilderte mir das Leben in derselben. Nun erfuhr ich von dieser Wüste weit mehr, als ich vorher von ihr gehört hatte.
    Sie liegt im Gebiete der beiden mexikanischen Provinzen Chihuahua und Cohahuila, und ist eine sehr ausgedehnte Niederung des dortigen Plateaus, welches weit über elfhundert Meter über dem Meere liegt. Sie wird, außer im Norden, von allen Seiten von steilen Kalkfelsenzügen eingefaßt, welche durch zahlreiche Cannons von der eigentlichen Mapimi getrennt sind. Letztere besteht aus welligen, waldlosen Flächen, welche mit einem spärlichen, kurzen Graswuchse bedeckt sind, weite Sandunterbrechungen zeigen und nur selten ein Strauchwerk sehen lassen. Zuweilen steigt aus dieser wüsten Ebene ein einzelner Berg empor. Oefters ist der Boden durch tiefe, senkrecht abfallende Risse zerklüftet, was zu bedeutenden Umwegen nöthigt. Aber wasserlos ist die Mapimi doch nicht so sehr, wie ich es mir gedacht hatte. Es gibt da See’n, welche in der heißen Jahreszeit zwar den größten Theil ihres Wassers einbüßen, aber doch so viel Luftfeuchtigkeit verbreiten, daß sich ein genügendes Pflanzenleben um ihre Ufer sammelt.
    Nach einem dieser See’n, der Laguna de Santa Maria, war unser Ritt gerichtet. So viel ich aus den Reden des »alten Jünglings« schließen konnte, war dieser See ungefähr zehn deutsche Meilen von dem Thale entfernt, an welchem unser Ritt begonnen hatte, ein ganz tüchtiger Tagesmarsch nach einer schlaflos verbrachten Nacht. Wir ritten fast nur durch Schluchten, aus einer in die andere, in denen es keine Aussicht gab.
    Wir sahen die Sonne den ganzen Tag fast nicht, und wenn es geschah, doch nur für einige kurze Augenblicke. Dabei ging es bald rechts, bald links, zuweilen sogar scheinbar rückwärts, daß ich ohne den Compaß ganz irre in der Hauptrichtung geworden wäre, welcher wir eigentlich folgten.
    Es war gegen Abend, als wir an der Lagune anlangten. Der Boden war sandig. Bäume gab es an der Stelle, an welcher wir uns lagerten, auch nicht, nur Sträucher, deren Namen ich nicht kannte. Eine trübe Wasserfläche mit sehr spärlichem Buschwerk umgeben; dann eine Ebene, über welcher im Westen sich

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