Der Scout. Kleinere Reiseerzählungen, Aufsätze und Kompositionen
nicht im gewöhnlichen Sinne gefällt worden. Kein Stumpf ist zu sehen. Sennor Uhlmann hat sie entwurzeln lassen, so daß sie sich langsam nach der Schlucht neigten und ihren ganzen Wurzelballen aus der Erde hoben. Ueber dreißig Mann haben dann an den Seilen gehalten, damit der Baum nicht zur Tiefe schmetterte, sondern langsam niederglitt und auf dem Felsenabsatze festen Halt bekam.«
»So viele Arbeiter hat er?«
»Jetzt fast vierzig.«
»Nun, so brauchen wir wegen des Ueberfalles gar keine Sorge zu haben. Wie hat er denn die Verbindung mit der Außenwelt organisirt?«
»Durch Maulthierzüge, welche alle zwei Wochen ankommen, um das Thal mit allem Nothwendigen zu versorgen und die Erze fortzuschaffen.«
»Läßt der Sennor den Eingang bewachen?«
»Des Nachts, wenn Alles schläft. Uebrigens streift ein Jäger, welchen er zu diesem Zwecke engagirt hat, während des ganzen Tages in der Gegend umher, um die Gesellschaft mit Wildpret zu versorgen. Diesem kann nichts entgehen.«
»Hat Uhlmann Gebäude anlegen lassen?«
»Gebäude nicht. Er wohnt in einem großen Zelte, in welchem sich alle nach der Arbeit versammeln. Ein Nebenzelt bildet den Vorrathsraum. Beide stoßen an die Wand des Thales. Und im Halbkreise um dieselben sind einstweilen aus Aesten und dergleichen Hütten errichtet, in denen die Arbeiter campiren.«
»Aber ein Fremder oben auf der Thalkante kann die hellen Zelte sehen!«
»Nein, denn sie sind von dichten Baumkronen überdacht und nicht mit weißem Zeltleinen, sondern mit dunklem Gummistoffe überzogen.«
»Das will ich eher gelten lassen. Wie steht es mit der Bewaffnung?«
»Vorzüglich. Jeder der Arbeiter hat sein Doppelgewehr nebst Messer und Revolver.«
»Nun, so mögen die lieben Tschimarra immerhin kommen. Freilich ist dazu erforderlich, daß wir eher eintreffen als sie. Wir müssen unsere Pferde morgen anstrengen. Nun aber wollen wir versuchen, den Schlaf zu finden. In Anbetracht dessen, was uns morgen erwartet, müssen wir gut ausgeruht sein und unsere Pferde auch.«
Mir wollte die erwartete Ruhe nicht kommen, obgleich ich während der vorigen Nacht keinen Augenblick hatte schlafen können. Der Gedanke, morgen Gibson zu erwischen, regte mich auf. Und Old Death schlief auch nicht. Er wendete sich wiederholt von einer Seite auf die andere. Das war ich an ihm gar nicht gewöhnt. Ich hörte ihn seufzen, und zuweilen murmelte er leise Worte vor sich hin, welche ich nicht verstehen konnte, obgleich ich neben ihm lag. Es gab irgend etwas, was ihm das Herz schwer machte. Sein Benehmen, als auf den Gambusino Harton die Rede gekommen war, war mir aufgefallen, doch war dasselbe dadurch erklärt, daß er diesen Mann kannte. Sollte er zu ihm in noch anderer Beziehung als nur derjenigen eines bloßen Bekannten stehen?
Als wir ungefähr drei Stunden gelegen hatten, bemerkte ich, daß er sich aufrichtete. Er lauschte auf unsern Athem, um sich zu überzeugen, daß wir schliefen. Dann stand er auf und entfernte sich längs des Baches. Der Wachtposten, ein Indianer, hinderte ihn natürlich nicht daran. Ich wartete. Es verging eine Viertelstunde, noch eine, eine dritte, und der Alte kehrte nicht zurück. Dann stand ich auf und schritt ihm nach.
Er war weit fortgegangen. Erst nach zehn Minuten erblickte ich ihn. Er stand am Bache und starrte in den Mond, mit dem Rücken nach mir gewendet. Ich gab mir keine Mühe, leise aufzutreten, doch dämpfte das Gras meine Schritte. Dennoch hätte er sie hören müssen, wenn ihn seine Gedanken nicht allzu sehr in Anspruch genommen hätten. Erst als ich fast hinter ihm stand, fuhr er herum. Er riß den Revolver aus dem Gürtel und fuhr mich an:
»Alle Teufel! Wer seid Ihr? Was schleicht Ihr Euch hier herum? Wollt Ihr eine Kugel von mir ha – – –«
Er hielt inne. Er mußte geistig sehr weit abwesend gewesen sein, da er mich erst jetzt erkannte.
»Ah, Ihr seid es!« fuhr er fort. »Hätte Euch fast eine Kugel gegeben, denn ich hielt Euch wahrhaftig für einen Fremden. Warum schlaft Ihr denn nicht?«
»Weil mir der Gedanke an Gibson und Ohlert keine Ruhe gibt.«
»So? Glaube es. Na, morgen kommen beide endlich in unsere Hände, oder ich will nicht Old Death heißen. Kann ihnen nicht länger nachlaufen, denn ich muß in der Bonanza bleiben.«
»Ihr? Weßhalb? Handelt es sich um ein Geheimniß?«
»Ja.«
»Nun, so will ich nicht in Euch dringen und Euch auch nicht länger stören. Ich hörte Euer Seufzen und Murmeln und dachte, daß ich Theil nehmen
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