Der Scout. Kleinere Reiseerzählungen, Aufsätze und Kompositionen
und gerechter Krieger bist. Du bist der Feind der Bleichgesichter nur deshalb geworden, weil sie selbst ihre Freundschaft mit euch gebrochen haben. Aber es gibt sehr viele große und mächtige Völker der Bleichgesichter, und darunter sind viele, welche Freunde der roten Männer sind. Du darfst nicht alle weißen Männer hassen, weil einige falsch und untreu waren. Du wolltest mich überfallen, ich aber nahm dich gefangen; dein Skalp gehörte mir, ich aber gab dich frei. Laß uns die Pfeife des Friedens rauchen und dann als Brüder von einander scheiden!«
Ich griff zur Pfeife, welche ich nach Trapperart am Halse hängen hatte, und stopfte sie. Er war sicher froh, mit heiler Haut zu entkommen, aber dennoch fragte er sich im stillen, ob es sich mit seiner Häuptlingsehre vertrage, von einem unbekannten Weißen die Pfeife angeboten zu erhalten. Darum fragte er:
»Bist du denn ein Häuptling der Weißen, und wie lautet dein Name?«
»Das tötende Feuer braucht sich nicht zu schämen, das Kallummet mit mir zu rauchen,« antwortete ich. »Ich bin Old Shatterhand, der Bruder aller roten Männer.«
Die Indianer sind gewohnt, selbst die überraschendste Nachricht mit der größten äußerlichen Ruhe aufzunehmen, aber kaum hatte ich den Namen genannt, welcher mir von irgend einem müßigen Trapper gegeben worden war und sich dann von Mund zu Mund fortgesprochen hatte, so sprang der Häuptling in die Höhe und rief:
»Old Shatterhand! Redest du die Wahrheit?«
»Kann das tödliche Feuer von einem gewöhnlichen Jäger überlistet und besiegt werden? Habe ich dich nicht vorhin mit einem einzigen Schlage meiner Hand niedergestreckt?«
»Aber wo ist da Winnetou, der große Häuptling der Apachen?«
Winnetou und ich waren als unzertrennlich bekannt; daher diese Frage.
»Er ist an den Quellen des Tonqueflusses, wo er mich erwartet. Ich mußte nach dem Fort Caß, um eine Wunde zu heilen. Das tötende Feuer mag Platz nehmen neben mir; oder soll Feindschaft zwischen uns beiden sein?«
»Wir wollen Brüder sein,« sagte er im feierlichen Tone. »Deine Feinde sind meine Feinde, und meine Brüder sind deine Brüder. Du sollst willkommen sein in allen Zelten der Sioux, und unser Leben ist wie ein einziges; einer soll für den andern sterben!«
Von diesem Augenblicke an konnte ich sicher sein, einen neuen Freund gewonnen zu haben, der jederzeit bereit war, sein Leben für mich hinzugeben. Ich rauchte die Pfeife an, blies den Rauch nach den vorgeschriebenen Richtungen und reichte sie ihm dann hin. Er wiederholte die Zeremonie und rauchte den Inhalt des Kopfes schweigend zu Ende. Die Pfeife war ein Geschenk Winnetous. Der Thon zu dem Kopfe stammte aus den heiligen Brüchen des Nordens, und jede ausgestoßene Rauchwolke galt als ein unverbrüchlicher Schwur zum großen Geiste, die geschlossene Freundschaft bis zum Tode treu zu halten. Die Freundschaft der »Bleichgesichter« wird oft auch bei Tabaksqualm und Spiritusduft geschlossen, aber was ist sie wert? Sie hört auf, sobald der Qualm sich verzogen und der Spiritus sich verflogen hat!
Jetzt gab es keine Geheimnisse mehr zwischen uns, und ich erfuhr nun, was ihn an den Bighorn geführt hatte: Er war als Kundschafter da, und ohne mein Zusammentreffen mit ihm wäre die Besatzung des Forts und die übrige Bewohnerschaft desselben höchst wahrscheinlich verloren gewesen.
»Die Krieger der Tetongs kamen an die Pässe des Gebirges, um den Büffel zu jagen, der dort vorüber kommt,« sagte der Häuptling. »Sie hatten eine gute Jagd, denn der Büffel kam mit seinen Frauen und Kindern in einer großen Herde, wie man sie seit vielen Sommern nicht gesehen hatte. Die Söhne der Tetongs sind stark und tapfer, darum lagen die Büffel und die Kühe zu großen Scharen tot am Boden. Da aber kamen die Bleichgesichter, welche bunte Kleider tragen, und verlangten, daß man die Büffel ihnen überlasse. Sie hatten mehr Feuergewehre als die roten Männer. Diese wehrten sich, mußten aber weichen und ließen dreimal fünf und noch drei Tote zurück. Waren die Bleichgesichter in ihrem Rechte?«
»Nein,« mußte ich leider antworten.
»Das denken die roten Männer auch. Darum haben sie den Medizinmann gefragt und einen großen Rat gehalten. Der große Geist hat ihnen einen Sieg verheißen, wenn sie die verräterischen Bleichgesichter angreifen. Nun sind sie ausgezogen, um den Feind zu bestrafen. Sie liegen im Walde und haben das tödliche Feuer ausgesandt, nach Fort Caß zu gehen, um zu sehen, wie
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