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Der Scout. Kleinere Reiseerzählungen, Aufsätze und Kompositionen

Der Scout. Kleinere Reiseerzählungen, Aufsätze und Kompositionen

Titel: Der Scout. Kleinere Reiseerzählungen, Aufsätze und Kompositionen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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viele Feinde sich dort befinden und was man thun muß, um die festen Wohnungen der Bleichgesichter zu erobern.«
    Das hatte ich kommen sehen! Dieser Siou sah mich heut zum erstenmale; er wußte, daß ich jetzt zu den Bewohnern des Forts gehörte, und dennoch vertraute er mir das alles an. Ist es zu verwundern, daß ich ihn für meiner Freundschaft würdiger hielt als diejenigen, welche seine Rache so – gelind gesagt – unbesonnen herausgefordert hatten? Aber durfte ich ruhig zusehen, daß das Fort überfallen wurde? Nein! Und grade aus diesem Grunde befand ich mich gegenwärtig in einer gar nicht beneidenswerten Lage.
    »Wird mein Bruder Old Shatterhand mit mir zu den Kriegern der Tetongs kommen, um das Fort zu überfallen?« fragte er, als ich längere Zeit sinnend schwieg.
    »Nein,« antwortete ich aufrichtig.
    »Warum nicht? Du hast mit mir ja das Kalummet geraucht!«
    »Ich bin dein Freund, aber auch alle Bleichgesichter sind meine Brüder.«
    Ich gestehe offen, daß es mir nicht leicht wurde, diese Worte auszusprechen, und ich bekam die Folgen denn auch sofort zu hören:
    »Du sagtest selbst, daß sie unrecht gehandelt haben, und dennoch willst du der Bruder dieser Verräter und Lügner sein! Ich freute mich, als ich vernahm, daß du Old Shatterhand seist, aber ich sehe doch, daß es schwer ist, der Freund eines Bleichgesichtes zu werden!«
    Was sollte ich antworten? Ich konnte leichter mit einer ganzen Herde wilder Büffel anbinden, als diesem einfachen Wilden beweisen, daß es jetzt meine Pflicht sei, sein Vorhaben an seine Feinde zu verraten.
    »Ihr wollt die Bleichgesichter töten, weil Manitou es euch befohlen hat?« fragte ich.
    »Ja.«
    »Nun wohl! Auch ich muß meinem Manitou gehorchen, und er sagt, daß er allein der Rächer sei.«
    »Warum hat denn dieser Manitou nicht bereits längst seine roten Kinder gerächt? Oder ist dein Manitou ein anderer als der meinige? Das tödliche Feuer ist in den Städten der Bleichgesichter gewesen und hat die Reden ihrer Priester vernommen. Kennt Old Shatterhand diese Reden? Wer Menschenblut vergießt, der soll auch sterben, sagt euer Buch; deshalb sollen auch die Bleichgesichter im Fort sterben! Einer soll den andern lieben, sagt euer Buch. Warum wurden dreimal fünf und noch drei Krieger der Tetongs getötet, die doch nichts Böses gethan hatten? Ihr sollt gehorchen euern Häuptlingen, sagt euer Buch. Wenn ein roter Mann zu euch kommt und einen tötet, so wird auch er getötet, denn eure Häuptlinge sagen, daß sie das Recht dazu haben. Wenn aber ihr zu uns kommt und tötet zehnmal zehnmal zehn Männer von uns, so dürfen wir euch nicht töten, denn unsre Häuptlinge haben kein Recht dazu, sagen die eurigen. Sind denn die roten Männer Hunde und Koyoten? Es mag Bleichgesichter geben, welche uns nicht für Koyoten halten, und du gehörst zu ihnen. Ich weiß, daß du mir recht gibst, daß dir aber dein Glaube gebietet, die bösen Bleichgesichter des Forts zu warnen. Gehe hin, und thue es!«
    Er erhob sich und schaute halb trotzig und halb traurig in das Feuer. Auch ich stand auf und fragte:
    »Wo stehen die Krieger der Tetongs?«
    »Am Flusse aufwärts.«
    »Wie groß ist ihre Zahl?«
    »Zehnmal zehn, dreimal genommen, und noch fünfmal zehn dazu.«
    Ein Weißer hätte mir diese beiden Fragen jetzt nicht noch beantwortet. Ich sagte:
    »Ich werde die Bleichgesichter nicht warnen, sondern du selbst sollst es thun.«
    »Das tötende Feuer soll seine Feinde warnen?« fragte er, ganz erstaunt.
    »Ja,« antwortete ich. »Du setzest dich mit in mein Kanot und fährst mit mir nach dem Fort. Dort verlangst du Genugthuung für deine erschlagenen Krieger. Erhältst du sie nicht, so habe ich meine Schuldigkeit gethan, und du kannst den Ort überfallen, ohne daß ich ein. Wort sage.«
    Er blickte sinnend vor sich nieder und sagte:
    »Sie werden das tötende Feuer ergreifen und festhalten.«
    »Du bist mein Bruder; ich verspreche dir, daß du gehen kannst, sobald du willst.«
    »Sie sind treulos; sie werden dir es versprechen, aber nicht Wort halten. Kannst du dann das tötende Feuer in Schutz nehmen?«
    »Glaubst du, daß Old Shatterhand sich vor diesen Bleichgesichtern fürchtet? Wenn sie mir nicht Wort halten, so werde ich mit der Büchse und dem Tomahawk mit ihnen reden.«
    »Ich glaube dir und werde kommen, ganz allein, aber nicht in deinem Kanot sondern auf dem Rosse, wie es einem Häuptling der Sioux geziemt. Enokh e-i anash, lebe wohl!«
    Im nächsten Augenblicke war er im

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