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Der Scout. Kleinere Reiseerzählungen, Aufsätze und Kompositionen

Der Scout. Kleinere Reiseerzählungen, Aufsätze und Kompositionen

Titel: Der Scout. Kleinere Reiseerzählungen, Aufsätze und Kompositionen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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War er allein? Befand er sich als Spion hier am Flusse? Oder befand sich eine Indianerschar in der Nähe, die mein Feuer bemerkt und ihn abgeschickt hatte, um zu sehen, wer an demselben lagere? Ich hatte allen Grund, abzunehmen, daß er allein sei. Zu Rekognoszieren schicken die Indsmen gewöhnlich junge Leute aus, die sich üben sollen; dieser Mann aber war alt und erfahren. Ich war überzeugt, daß er sich um die Bucht herumschleichen werde, um unbemerkt an mich zu kommen. Dann trat einer von zwei Fällen ein: Kam er im Frieden, so trat er plötzlich zwischen den Bäumen hervor, um mit stolzem Gruße an meiner Seite Platz zu nehmen und mir zu sagen, daß ich doch vorsichtiger sein möge; kam er aber als Feind, so wurde ich eine Leiche, ohne ihn vorher nur einen Augenblick lang bemerkt zu haben. In beiden Fällen galt es, ihm zu beweisen, daß ich wenigstens ein ebenso guter Westmann sei wie er.
    Ich wartete eine Weile, dann schlug ich meine Decke auseinander, die ich ja um mich gelegt gehabt hatte, und drapierte sie, aber ohne mich zu erheben oder das geringste Geräusch zu verursachen, so am Boden hin, daß es von weitem den Anschein hatte, als ob ich noch darunter liege; dann nahm ich meine Büchse und kroch in das Dunkel der Bäume hinein.
    Er mußte von links herbeikommen; ich fand unter einigen eng beisammenstehenden wilden Kirschensträuchern ein ausgezeichnetes Versteck. Vorhin hatte ich beim Scheine der kurzen Dämmerung gesehen, daß man die kleine Bucht recht gut in fünf Minuten umgehen könne; bei dem jetzt herrschenden Dunkel aber und bei der Vorsicht, welche er beobachten mußte, konnte er vor einer Viertelstunde nicht bei meinem Feuer sein.
    Diese Zeit verging. Ich hielt die Augen geschlossen; er hätte ja den phosphoreszierenden Glanz derselben bemerken können, und verließ mich allein auf mein gutes Gehör. Es hatte mich noch nie im Stiche gelassen und blieb mir auch jetzt treu: Ein ganz, ganz leises, fast unbemerkbares Wehen sagte mir, daß er komme. Es war kein Geräusch, es war nur der Luftdruck, den seine Bewegung hervorbrachte. Und da, da trat auch mein Geruch in Thätigkeit: Es näherte sich mir ein eigentümlicher, unangenehmer Geruch, den ich kannte; der Mann hatte ein Opossum erlegt, ausgeweidet und gegessen. Dieses Beuteltier hat einen schlechten Geruch und wird von den Indianern nur dann gegessen, wenn es nichts anderes gibt. Dieser Geruch haftete ihm noch an, und daß er einen solchen Braten nicht verschmäht hatte, war mir der sicherste Beweis, daß er ein Kundschafter sei. Er hatte, um Zeit, Mühe und Umwege zu ersparen und das Geräusch verräterischer Schüsse zu vermeiden, das erste beste Opossum aus seinem Baumloche hervorgeholt und an diesem Fleische seinen Hunger gestillt.
    Jetzt war er da, so nahe bei mir, daß ich ihn fast mit der Hand erreichen konnte. Er kroch an mir vorüber, langsam und lautlos, mit dem Leibe am Boden wie eine Schlange. Wer dieses Anschleichen nicht selbst versucht hat, glaubt gar nicht, welch eiserne Muskeln und stählerne Nerven dazu gehören, sich mit lang gestrecktem Körper nur auf den Spitzen der Füße und Finger über die Erde hinzuschieben. Benutzte man dabei die Sohlen der Füße, die Teller der Hände oder gar das Knie, so würde wiederholtes Geräusch ganz unvermeidlich sein. Als vorher der Zweig knickte, waren jedenfalls die Muskeln des Indianers ermüdet gewesen und er hatte infolge dessen den Boden für einen Augenblick mit dem Knie berührt. Die Stelle, auf welche man die Finger setzen will, wird vorher mit den Spitzen derselben sorgfältig untersucht, ob da nichts Zerbrechliches etc. vorhanden ist. Genau auf dieselbe Stelle kommen dann im Weiterschleichen die Fußspitzen zu ruhen. Mancher ganz gute Schütze und ganz brave Westmann bleibt während seines Lebens doch ein schlechter Anschleicher. »
La-ya- tishi,
mit den Fingern sehen« nennen die Navajoes sehr bezeichnend diese für den Feind so gefährliche Fertigkeit.
    Jetzt war er an mir vorüber, und nun mußte ich handeln. Ich ließ die mir hinderliche Büchse unter den Büschen liegen und kroch ihm nach; ich erreichte ihn und schnellte mich auf seinen lang gestreckten Körper. Mit der Linken sein Genick umspannend, schlug ich ihm die geballte Hand auf den Hinterkopf – er brach besinnungslos zusammen. Nun nahm ich mein Lasso vom Gürtel und schlang es ihm dergestalt um die Arme und Beine, daß er sich nicht bewegen konnte, dann trug ich ihn, nachdem ich zuvor meine Büchse geholt

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