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Der Scout. Kleinere Reiseerzählungen, Aufsätze und Kompositionen

Der Scout. Kleinere Reiseerzählungen, Aufsätze und Kompositionen

Titel: Der Scout. Kleinere Reiseerzählungen, Aufsätze und Kompositionen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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sich hin, schlug mir mit dem Finger ein Schnippchen und sagte:
    »Master, Ihr seid trotzdem ein Greenhorn, ein ächtes, richtiges Greenhorn. Nehmt es mir nicht übel; aber es ist wirklich so.«
    In diesem Augenblicke sah ich freilich ein, daß ich zu viel gesagt hatte. Er bestätigte diese meine Ansicht, indem er fortfuhr:
    »Ihr kommt hierher in einer Angelegenheit, welche ›etwas einem Geldgeschäfte Aehnliches‹ ist, wie Ihr mir sagtet. Der Mann, auf welchen sich diese Sache bezieht, wird in Eurem Auftrage von der Polizei gesucht. Ihr selbst lauft in den Straßen und Vierhäusern herum, um ihn zu finden – – ich müßte nicht Old Death sein, wenn ich nun nicht wüßte, wen ich vor mir habe.«
    »Nun, wen, Sir?«
    »Einen Detective, einen Privatpolizisten, welcher eine Aufgabe zu lösen hat, welche weit mehr familiärer als crimineller Natur ist.«
    Dieser Mann war wirklich ein Muster von Scharfsinnigkeit. Aber wie war es ihm möglich, meine Absichten zu errathen? Sollte ich zugeben, daß er ganz richtig vermuthet habe? Nein. Ich war eben ein Greenhorn. Es fiel mir nicht ein, anzunehmen, daß dieser Mann mir zur Erreichung meiner Pläne von großem Nutzen sein könne. Er stand an Bildung tief, tief unter mir; es war eine Versündigung gegen meine Würde, ihn zu meinem Vertrauten zu machen. Darum gab ich mir Mühe, ein diplomatisch seines Lächeln zu Stande zu bringen, und antwortete:
    »Euern Scharfblick in Ehren, Sir; aber diesesmal dürftet Ihr Euch doch verrechnet haben.«
    »Glaube es nicht!«
    »O gewiß!«
    »
Well!
Es ist Eure Sache, ob Ihr es zugeben wollt oder nicht. Ich kann und mag Euch nicht zwingen. Aber wenn Ihr nicht wollt, daß man Euch durchschaue, dürft Ihr Euch nicht so durchsichtig verhalten. Es handelt sich um eine Geldsache. Man hat die Aufgabe einem Greenhorn anvertraut; man will also schonend verfahren; folglich ist der Betreffende ein guter Bekannter oder gar ein Glied der Familie des Geschädigten. Etwas Criminelles ist doch dabei, sonst würde die hiesige Polizei Euch nicht ihre Hilfe zugesagt haben. Vermuthlich hat der Betreffende einen Verführer, welcher sich bei ihm befindet und ihn ausnutzen will. Ja, ja, schaut mich nur an, Sir! Ihr wundert Euch über meine Phantasie? Nun, ein guter Westmann construirt sich aus zwei Fußtapfen einen ganzen langen Weg von hier bis meinetwegen in’s Canada hinein, und es ist gar selten, daß er sich dabei irrt.«
    »Ihr entwickelt allerdings eine außerordentliche Einbildungskraft, Master.«
    »Pshaw! Leugnet meinetwegen immerfort! Mir macht es keinen Schaden. Ich bin hier leidlich bekannt und hätte Euch wohl einen guten Rath geben können. Doch wenn Ihr meint, auf eigenem Weg schneller zum Ziele zu gelangen, so ist das zwar recht lobenswerth von Euch, ob aber auch klug, das möchte ich bezweifeln.«
    Er stand auf und zog einen alten Lederbeutel aus der Tasche, um sein Bier zu bezahlen. Ich glaubte, ihm durch mein Mißtrauen wehe gethan zu haben, und sagte, um das wieder gut zu machen:
    »Es gibt Geschäfte, in welche man keinen Andern, am Allerwenigsten aber einen Fremden blicken lassen darf. Ich habe keineswegs die Absicht gehabt, Euch zu beleidigen, und denke – – –«
    »Ay, ay!« unterbrach er mich, indem er ein Geldstück auf den Tisch legte. »Von einer Beleidigung ist keine Rede. Ich habe es gut mit Euch gemeint, denn Ihr habt trotz der Bartwichse in Euerm Schnurrbarte Etwas an Euch, was mein Wohlwollen erweckte.«
    »Vielleicht begegnen wir uns wieder!«
    »Schwerlich. Ich gehe heut’ hinüber in’s Texas und will nach Mexiko hinein. Es ist wohl nicht anzunehmen, daß Euer Spaziergang dieselbe Richtung haben werde, und so – –
fare well,
Sir! Und denkt bei Gelegenheit daran, daß ich Euch ein Greenhorn genannt habe! Von Old Death dürft Ihr das ruhig hinnehmen, denn er verbindet nicht die Absicht der Beleidigung damit, und es kann keinem Neulinge Schaden bringen, wenn er ein klein Wenig bescheiden von sich denkt.«
    Er setzte den breitkrämpigen Sombrero auf, welcher über ihm an der Wand gehangen hatte, nahm Sattel und Zaumzeug auf den Rücken, griff nach seinem Gewehre und ging. Aber als er drei Schritte gemacht hatte, wendete er sich schnell wieder um, kam noch einmal zurück und raunte mir zu:
    »Nichts für ungut, Sir! Ich habe nämlich auch – – studirt und denke heut’ noch mit großem Vergnügen d’ran, was für ein eingebildeter Dummkopf ich damals gewesen bin.
Good b’ye!
«
    Jetzt verließ er das Local, ohne

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