Der seekranke Walfisch. Oder: Ein Israeli auf Reisen.
in der Bahnhofsverwaltung einen der höheren Ränge bekleidet, und fragten ihn, wann der nächste Zug nach Genf ginge.
»Genf?« Der Admiral besann sich. »Genf... das wäre um 5.30!«
»Hahaha!« Ich lachte ihm ins Gesicht, um ihm so recht meine Verachtung für diesen unannehmbaren Vorschlag zu bezeigen. »Vier ist das äußerste, was ich nehme!«
»5.15!«
»4.20!«
»5! Nicht eine Minute früher!«
»4.30! Aber wirklich nur, weil Sie's sind!«
Nach einigem Hin und Her einigten wir uns auf 4.45. Ich zeigte mich dem Admiral erkenntlich, so daß mir nur noch 50 Lire für den Lokomotivführer blieben.
Wir verließen Italien mit leeren Taschen, aber tatsächlich nicht später als um 6.23 Uhr.
Geburtsland der Sauberkeit
Handelnd von der Schweiz, dem Patrizierparadies Europas. - Zusammenstoß mit den ehernen Gesetzen der eidgenössischen Fremdenindustrie. - Ich versuche, einem Repräsentanten der heimischen Bevölkerung einen Witz zu erzählen, habe keinen Erfolg und begehe Selbstmord durch Erhängen. - Illegale Unterwanderung der Schützenvereine. - Entlarvung der sprichwörtlichen Schweizer Zuverlässigkeit. - Verzweifelte Lage eines Schimpansen in Zürich. - Über die Unmöglichkeit einen Pappendeckelrest loszuwerden.
Der Reisende, der in Mailand einen Zug in nördlicher Richtung besteigt, wird nach einigen Stunden Fahrt eine seltsame Verwandlung beobachten können: Die Waggons haben plötzlich zu quietschen aufgehört, die Fahrgäste bringen fieberhaft ihr Äußeres in Ordnung und klauben alle Papierschnitzel vom Boden weg, das Geräusch der Räder läßt einen klaren Rhythmus erkennen, und sogar die Fenster werden wie durch Zauberhand durchsichtig. Dann durchfährt der Zug einen dieser unvermeidlichen, endlos langen Tunnels - und wenn er wieder ins Freie kommt, ist man in der Schweiz.
Jetzt tritt auch im Benehmen der Passagiere eine deutliche Veränderung ein. Sie scheinen alle zu den oberen Zehntausend zu gehören. So distinguiert ist die Schweiz. Mutter war eine deutsche Baronin, Vater ein französischer Großfabrikant, und alle Verwandten sind Millionäre; bis auf das schwarze Schaf der Familie, den italienischen Onkel über den man im Gespräch höflich hinweggeht.
Die Schweiz ist der Traum des Kleinbürgers und des Großbürgers. Und der Sozialisten. Und der Revolutionäre und Konservativen und Nihilisten. Die Schweiz, kurzum, ist der Inbegriff aller menschlichen Sehnsüchte. »Schweiz« bedeutete soviel wie »Frieden«. Man könnte die Schweiz auch mit Israel vergleich, nur ohne Araber an den Grenzen. Wohin man blickt, herrscht Ruhe, Ordnung, Disziplin, Hygiene, Fleiß und Moral.
Ist das nicht furchtbar!
Auch die Hotels halten den höchsten Standard. Es gibt kein Feilschen, keine unangenehmen Überraschungen, kein Straucheln über die Trinkgeldfrage. In jedem Hotel hängt eine deutlich sichtbare Tafel mit Hausregeln und Preislisten, und weder von den einen noch von den anderen wird auch nur im mindestens abgewichen. Unser Hotel in Zürich machte uns beispielsweise mit der folgenden Tarifbesonderheit vertraut:
»Klimaanlage im Zimmer: 10 % des Tagespreises.«
Mit Recht. Klimaanlagen bedeuten das Nonplusultra an Komfort. Durch einen kleinen, in unerreichbarer Höhe angebrachten Apparat wird die ozonreiche Schweizer Luft, sorgfältig temperiert und gefiltert, in das geschmackvoll eingerichtete Zimmer geleitet. Jeder Atemzug trägt zum Wohlbefinden des Gastes bei. Mag draußen ein noch so heißer Schirocco das Leben unerträglich machen - das Zimmer bleibt erfrischend kühl. Leider kann es manchmal geschehen, daß es keinen Schirocco gibt, und daß, im Gegenteil, die Luft draußen erfrischend kühl ist. Dann allerdings verwandelt sich das geschmackvoll einrichtete Zimmer in eine Eisgrube.
Infolgedessen ging ich zum Hotelmanager und bat:
»Exzellenz! In unsrem Zimmer ist es kalt. Mörderisch kalt. Bitte stellten Sie die Klimaanlage ab!« Exzellenz zogen die Hausregeln zu Rate und antworteten freundlich:»Mein Herr, Sie haben ein Zimmer mit Klimaanlage genommen.«
»Gewiß. Aber jetzt ist es kalt draußen, und ich möchte, daß Sie dieses verdammte Ding abstellen.«
»Das geht leider nicht. Unsre Klimaanlage ist zentral betrieben.«
»Ich werde mir eine Erkältung zuziehen.«
»Dann müssen Sie wärmere Kleider nehmen«, sagte der Manager und war mir sichtlich böse, daß ich ihn zu einem Bruch der Hausregeln verleiten wollte.
Ich machte einen letzten Versuch:
»Stellen
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