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Der seekranke Walfisch. Oder: Ein Israeli auf Reisen.

Der seekranke Walfisch. Oder: Ein Israeli auf Reisen.

Titel: Der seekranke Walfisch. Oder: Ein Israeli auf Reisen. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ephraim Kishon
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ich wäre wohl nie in Kontakt mit der Umwelt gekommen.
    Es war, wie ich gleich vorausschicken will, kein erfreulicher Kontakt.
    Ich hatte nämlich mit einemmal die deutliche Empfindung, daß das linke untere Ende meines heraushängenden Hemds sich von mir fortbewegte. Vorsichtig wandte ich mich um - und in der Tat: mein Nachbar am Tisch zur Linken hatte sich meines Hemdes bemächtigt und putzte damit seine Brillengläser, große dicklinsige Gläser in schwarzer Hornfassung. Ich hatte den Herrn nie im Leben gesehen. Und jetzt saß er da und putzte sich mit meinem Hemd die Brille.
    Etwa eine Minute lang herrschte Schweigen, nur vom Rhythmus des Putzgeräusches unterbrochen. Dann raffte ich mich auf:
    »Monsieur«, sagte ich, »was fällt Ihnen ein?«
    »Das sehen Sie doch«, lautete die Antwort. »Glotzen Sie nicht so blöd.«
    »Vielleicht könnten Sie Ihre Brille mit Ihrem eigenen Hemd putzen?«
    »Mein eigenes Hemd steckt in meiner eigenen Hose. Das sehen Sie doch.«
    Er hob die Gläser gegen das Licht, um festzustellen, ob sie schon ausreichend geputzt wären. Offenbar waren sie es nicht. Als ich merkte, daß er die Putzarbeit fortzusetzen beabsichtigte, wollte ich ihm mein Hemd entziehen; aber da kam ich schön an:
    »Was ist denn los?« rief er. »Lassen Sie mich gefälligst meine Brille putzen!«
    »Nicht mit meinem Hemd!«
    »Warum nicht?«
    »Zum Beispiel, weil ich Sie nicht kenne.«
    »Bosco.« Mit einem leichten Kopfnicken stellte mein Nachbar sich vor. »Und hören Sie schon auf zu glotzen.«
    Diese Entwicklung der Dinge ging mir sehr gegen den Strich. Jetzt, da wir persönlich miteinander bekannt waren, war es für mich schon um vieles schwerer, ihm mein Hemd zu verweigern.
    »Ja, aber...« stotterte ich. »Das ist ein ganz neues, sauberes Hemd...«
    Ich muß zugeben, daß ich da kein besonders schlagkräftiges Argument gebraucht hatte, aber ein besseres fiel mir nicht ein. Auch daß ich von einigen Nebentischen her mit feindseligen Blicke angestarrt wurde, machte meine Position nicht leichter.
    Bosco, der seinen taktischen Vorteil sofort erkannte, hielt das Ende des Hemds aktionsbereit in der Hand:
    »Wenn es kein sauberes Hemd wäre, würde ich es nicht für meine Brillengläser verwenden. Es sind sehr teure und sehr empfindliche Gläser. Also.«
    »Dann zerren Sie wenigstens nicht daran«, mahnte ich mit schwacher Stimme, während er schon wieder weiterputzte.
    »Wer zerrt?« fragte Bosco ungehalten und entnahm der Tasche seines Sporthemds eine andere Brille mit dunkelgrünen Gläsern.
    »Nein«, sagte ich energisch. »Keine Sonnenbrillen bitte.«
    »Sie langweilen mich«, replizierte Bosco. »Geben Sie endlich Ruhe.«
    Jetzt wurde mir die Sache denn doch zu dumm. Schließlich war ich Tourist, ein Ausländer, ein Fremdenverkehrsheber, im Grunde genommen sogar ein Gast dieses Landes. Ich kannte Bosco kaum, und jedenfalls nicht gut genug, um ihn seinen gesamten Brillenvorrat mit meinem Hemd putzen zu lassen. Aber die öffentliche Meinung stand natürlich auf seiner Seite, daran ließ der Gesichtsausdruck der Umsitzenden keinen Zweifel. »Sie jämmerlicher Outsider«, sagten ihre Blicke. »Sie Eindringling. Sie Egoist. Sie überheblicher, asozialer Wichtigtuer. Sie scheinen ja Ihr Hemd für das Kostbarste auf Erden zu halten? Seien Sie froh, daß es endlich zu etwas Vernünftigem taugt. Sie haben überhaupt keinen Sinn für Zusammengehörigkeit, kein Empfinden für kollektive Verantwortung, kein Solidaritätsgefühl. Sie sind nicht wert, hier zu sitzen, Sie hergelaufener Niemand mit Ihren schäbigen Lumpen... «
    Als es so weit war, raffte ich alle meine Kräfte zusammen:
    »Genug! Ich will nicht mehr!«
    »Und warum nicht?«
    »Darüber schulde ich Ihnen keine Rechenschaft! Oder bin ich verpflichtet, jedem mein Hemd zum Brillenputzen zu überlassen?«
    »Jedem?! Wieso jedem?!« Von allen Seiten drangen entrüstete Rufe auf mich ein. »Wer außer Bosco hat denn schon seine Brillen geputzt? Wer ist denn auf Ihr idiotisches Hemd angewiesen? Warum sprechen Sie von >jedem<, wo doch nur Bosco...« Den Rest hörte ich nicht mehr. Ich hatte bereits die Türe erreicht. Dort aber blieb ich stehen, wandte mich um und stopfte mit herausfordernder Langsamkeit mein Hemd in die Hosen.
    Sollte der geneigte Leser erwarten, daß ich mich jetzt endlich dem Kapitel »Die Pariserin« zuwenden würde, dann steht ihm eine herbe Enttäuschung bevor. Mein Kontakt mit der Pariser Weiblichkeit blieb auf eine einmalige, flüchtige

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