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Der seekranke Walfisch. Oder: Ein Israeli auf Reisen.

Der seekranke Walfisch. Oder: Ein Israeli auf Reisen.

Titel: Der seekranke Walfisch. Oder: Ein Israeli auf Reisen. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ephraim Kishon
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Begegnung beschränkt; es war eine sympathische, schon etwas ältere Dame, die mich auf dem Boulevard St.-Michel fragte:
    »Guten Abend, Monsieur, wohin gehen Sie?«
    Ihr diskreter Tonfall und ihr solides Äußeres ermutigten mich zu der Auskunft:
    »Ich habe eine Verabredung mit meinem Freund Nachum Gottlieb.«
    Damit sprach ich, wie immer, die lautere Wahrheit. Ich überlegte sogar, ob ich ihm meine neue Zufallsbekanntschaft nicht mitbringen sollte. Aber sie zeigte kein Interesse daran und setzte ihren Abendspaziergang fort.
    Mit Nachum war ich von Israel her befreundet. Ich kannte ihn als einen gutherzigen, durchschnittlichen, ordentlichen Menschen - so richtig das, was man einen netten Jungen nennt. Unsre staatliche Schiffahrtsgesellschaft hatte ihn als Rechtsberater in ihre Pariser Niederlassung geschickt, und nun lebte er schon seit sechs Jahren in der Lichterstadt. Er hatte hier sogar geheiratet, eine hübsche, großäugige, junge Französin, vielleicht um eine Kleinigkeit zu mager, insgesamt jedoch eine echte Repräsentantin jenes unvergleichlichen, filigranen Frauentyps, den man eben nur in Paris findet, charmant, elegant und mit Bleistiftabsätzen an den zarten Schuhen, die nur ganz knapp die zarten Sohlen ihrer zarten Füßchen bedeckten. Sie hieß Claire.
    Nachum erwartete mich bereits vor seinem Büro. Wir wanderten zunächst ein wenig den Boulevard entlang, und als es kühler wurde, zogen wir uns in ein Cafe zurück. Ich fragte Nachum, wie es seiner Frau ginge.
    Zu meiner Überraschung antwortete er nicht, sondern senkte den Kopf und zog seine Rockaufschläge über der Brust zusammen, als ob ihn fröstelte. Ich wiederholte meine Frage.
    Langsam, mit einem waidwunden Blick, hob Nachum den Kopf und sagte kaum hörbar:
    »Sie spricht nicht mit mir...«
    Es dauerte lange, ehe seine schwere Zunge sich zu lösen begann. Ich lasse seine Geschichte, die vom ewigen Thema der grundlosen Eifersucht handelt, in einer verkürzten Fassung folgen. Sie könnte den gleichen Titel tragen wie Jean Cocteaus berühmter Film »La Belle et la Bete«.
    »Du bist der erste Mensch, mit dem ich über mein tragisches Familienleben spreche«, begann Nachum. »Und selbst dazu kann ich mich nur überwinden, weil du bald wieder wegfährst. Ich bin vollkommen ratlos. Ich bin am Ende. Ich kann ohne Claire nicht leben. Sie ist für mich die Luft, die ich zum Atmen brauche... Ich weiß, was du jetzt sagen willst. Sag's nicht, obwohl du recht hast. Natürlich hätte ich besser auf sie achtgeben müssen. Ich hab's ja auch versucht. Aber gerade das war das Unglück, Ich habe etwas getan, was ich nie hätte tun dürfen. Und daß ich es nur aus Liebe zu ihr getan habe, hilft mir nicht. Sie wird mir nie verzeihen...«
    Ich konnte aus seinem Gestammel nicht recht klug werden und klopfte ihm aufmunternd auf die Schulter:
    »Na, na, na. Erzähl hübsch der Reihe nach. Die ganze Geschichte. Ich verspreche dir, daß ich sie in meinem Reisebuch nicht veröffentlichen werde.«
    »Es fällt mir so fürchterlich schwer«, seufzte Nachum.
    »Weil das Ganze zu fürchterlich dumm ist. Es begann mit einem anonymen Brief, den ich vor ein Paar Monaten zugeschickt bekam. Ein aufrichtiger Freund< teilte mir mit, daß meine Frau mich mit dem Friseur von vis-a-vis betrog. Und du weißt ja, wie so etwas weitergeht. Zuerst glaubt man kein Wort - will sich mit einer so schmierigen Denunziation gar nicht abgeben - dann merkt man, daß doch etwas hängengeblieben ist - und dann beginnt das Gift zu wirken...«
    »So ist die menschliche Natur«, bestätigte ich. »Man glaubt einem dummen Tratsch viel eher als den eigenen Augen.«
    »Richtig. Ganz richtig. Genauso war es. Aber ich begnügte mich nicht damit, meiner Frau insgeheim zu mißtrauen. Ich beschloß, sie auf die Probe zu stellen. Ich Idiot.«
    »Wie hast du das gemacht?«
    »Ich erzählte ihr, daß ich für drei Tage geschäftlich nach Marseille verreisen müßte, verabschiedete mich herzlich wie immer und verließ mit dem Koffer in der Hand die Wohnung. Diesen kindischen Trick hielt ich für besonders raffiniert. Dann stellte ich den Koffer in einem nahe gelegenen Bistro ab, verbrachte die Zeit bis Mitternacht im Kino - ging nach Hause - schloß leise die Wohnungstüre auf - ich weiß bis heute nicht, was da in mich gefahren war - schlich auf Zehenspitzen ins Schlafzimmer - knipste das Licht an - und - und-«
    »Und deine Frau lag friedlich im Bett und schlief.«
    »So wie du sagst. Sie lag friedlich im Bett

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