Der seekranke Walfisch. Oder: Ein Israeli auf Reisen.
Besonderheiten auf. Man muß es sogar als einzigartig bezeichnen, wenn man bedenkt, daß jeder halbwegs unabhängige Staat, der über ein Minimum an Selbstachtung verfügt, in seinem Verhältnis zu Amerika mit absoluter Sicherheit folgende Phasen durchmacht:
1. Die Phase des Ressentiments: »Alle rückständigen Länder bekommen Geld von Amerika, nur wir nicht. Was ist los? Sind wir vielleicht nicht rückständig genug?«
2. Die Phase des verletzten Stolzes, nachdem Amerika gezahlt hat: »Unerhört! Die halten uns wohl für Bettler?«
3. Die Phase der bitteren Enttäuschung, nachdem Amerika seine Finanzhilfe eingestellt hat: »Diese elenden Geldsäcke. Und geizig sind sie auch noch. Da sieht man's wieder!«
4. Die Phase der verächtlichen Ablehnung, nachdem Amerika seine Finanzhilfe wieder aufgenommen und sogar gesteigert hat: »Na wenn schon. Sie sollen sich nur ja nichts einbilden. Wer braucht sie überhaupt?« Das neu angefachte Ressentiment äußert sich zuerst in vereinzelten Überfällen auf amerikanische Touristen und schließlich in spontanen Massendemonstrationen. Die Schaufenster der Amerika-Häuser werden zertrümmert, die amerikanischen Büchereien gehen in Flammen auf.
Demgegenüber legen wir Israelis eine bemerkenswerte Zurückhaltung an den Tag. Nicht nur machen wir den Amerikanern keinen Vorwurf daraus, daß sie immer nur ans Geld denken - wir haben sogar eine Art nachsichtiger Sympathie für ihr sonderbares Bedürfnis, uns zu helfen und uns allerlei nützliche Dinge zu schicken, Nahrungsmittel und Konsumgüter und Maschinen und Geld und alles mögliche. Unsre Toleranz geht so weit, daß wir ihnen den Reichtum, den sie solcherart demonstrieren, nicht einmal übelnehmen. Wir drücken ein Auge zu und gehen über den Affront hinweg.
Nur wenn wir an ihre Schriftsteller denken, steigt uns die Galle hoch.
Ich halte es für meine Ehrenpflicht, die Weltöffentlichkeit hiermit auf die unglaublichen Erniedrigungen hinzuweisen, denen die amerikanischen Schriftsteller ausgesetzt sind. Wenn in Amerika gesprächsweise der Name eines angesehenen Autors fällt, so werden nicht etwa die literarischen Qualitäten des CEuvres hervorgehoben, nicht etwa seine geschliffene Sprache, seine meisterhafte Gestaltungskraft, seine Fabulierkunst. Nein, man weiß ihm kein höheres Lob als die Feststellung: »Er macht 500 000 Dollar im Jahr!«
Was soll das? Ist das eine Art? Gehört es sich, einen Künstler so zu behandeln? Ihm eine halbe Million Dollar an den Kopf zu werfen, und Schluß?
»Der Mensch lebt nicht von Brot allein«, hat ein alter Diätfachmann schon in der Bibel festgestellt. An dem Rang, den ein Volk seiner Literatur einräumt, erweist sich seine Reife. Die Geschichte kennt zahllose Beispiele dafür, daß Völker, die ihren Schriftstellern den nötigen Respekt vorenthalten, unweigerlich zugrunde gehen. Man braucht sich nur an die Behandlung zu erinnern, die Sokrates seitens der Griechen erfuhr. Und was ist von ihnen übriggeblieben? Ruinen und Schmetterlinge.
Wie anders in Israel! Welch ein erquickender Kontrast! Wahrlich, man kann den hebräischen Dichter nur beneiden um die erhabene Rolle, die er in seinem Heimatland spielt. Kein schnöder Mammon wird ihm aufgezwungen, keine schäbigen materiellen Lockungen kommen an ihn heran, keine hübschen kleinen Villen und keine häßlichen großen Autos verstellen ihm den Blick. Niemand in Israel würde es wagen, einem Meister der Feder auch nur das geringste Interesse für so oberflächliche Dinge zu unterstellen. Ihm winken die wahren, die höchsten Güter des Lebens: Ruhm und Ehre!
Gewiß, wir fühlen uns der westlichen Kultur zugehörig. Aber in diesem einen Punkt, daran glauben wir und dazu sind wir fest entschlossen, werden unsere großen Freunde von jenseits des Ozeans niemals Einfluß auf uns gewinnen. Mag Amerika seine Schriftsteller mit Geld verwöhnen - wir in Israel verwöhnen sie mit Ehrerbietung. Das ist das richtige Wort.
Der Teufel soll es holen.
Nach einem Flug, der fast ausschließlich aus Luftlöchern bestand und uns lebhaft an unsere Kanalüberquerung erinnerte, landeten wir in New York. Onkel Harry und Tante Trude erwarteten uns am Flughafen und fielen uns gerührt um den Hals.
»Wie war der Flug?« fragte Tante Trude.
»Frag mich nicht«, antwortete meine
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