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Der seekranke Walfisch. Oder: Ein Israeli auf Reisen.

Der seekranke Walfisch. Oder: Ein Israeli auf Reisen.

Titel: Der seekranke Walfisch. Oder: Ein Israeli auf Reisen. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ephraim Kishon
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Frau. »Über dem Ozean sind wir in ein fürchterliches Unwetter geraten. Wir dachten schon, daß wir's nicht überleben.«
    »Moment«, sagte Onkel Harry. »Habt ihr eine Lebensversicherung?«
    »Ja.«
    »Also. Wozu die Aufregung?«
    Dazu muß man wissen, daß Onkel Harry, seit er die amerikanische Staatsbürgerschaft erworben hat, ein Musteramerikaner geworden ist und alles versichert, was sich irgend versichern läßt. Buchstäblich alles. Hier liegt das Geheimnis seines sicheren Auftretens, seiner inneren Spannkraft, seiner Vitalität. Er ist jetzt 59 Jahre alt, der Onkel Harry - aber wenn man ihn so sieht, mit seinem lebhaft bemusterten Sportjackett, seiner farbenfrohen Krawatte und seinem blitzenden Gebiß: Man würde ihn höchstens für 65 halten.
    »Wovor soll ich mich noch fürchten?« fragte Onkel Harry.
    »Ich habe eine Lebensversicherung auf 200000 Dollar abgeschlossen, die alles einschließt: natürlichen Tod, gewaltsamen Tod, Tod durch Selbstmord, tödlicher Unfall, Wahnsinn, Entführung, Kerker. Also?«
    Stolz führte er uns durch sein Häuschen in einem der uniformen Villen-Vororte New Yorks. Die Zentralheizung hatte ihn 15 000 Dollar gekostet, die Garage mit der Gleittüre, die sich automatisch öffnet und schließt, 5000 Dollar. Wieviel ihn die Möbel gekostet haben, weiß ich nicht mehr. An den Wänden hingen ein paar alte niederländische Holzschnitte, sehr schöne Stücke aus der 2000-Dollar-Schule; sie waren auf 12 000 Dollar gegen die etwaige Entdeckung versichert, daß es sich um Fälschungen handelte. Auch die Bibliothek erfreute sich einer kostspieligen Versicherung gegen Feuer, Vergilbung, Stockflecke und Lektüre. Die Versicherung des atemraubenden Ausblicks vom Fenster bezog sich auf Erdbeben, Tornados und fliehende Büffelherden. Und die Vöglein im Garten konnten fröhlich zwitschern, weil sie wußten, daß sie gegen Rinderpest, Papageienkrankheit und Jagdfalken versichert waren.
    »Meine Frau hab' ich auf 100000 Dollar versichert«, flüsterte Onkel Harry mir ins Ohr. »Anders war's nicht rentabel gewesen. Ich mußte ja schon 30000 Dollar in die Scheidung von ihrem ersten Mann investieren...«
    Sollten sich unter den geneigten Lesern dieses Buchs auch Kenner Amerikas (oder gar Amerikaner) befinden, dann ergeht an sie die höfliche Bitte, sich nicht darüber zu ärgern, daß die vorstehenden Mitteilungen in keiner Weise typisch für Amerika sind. Onkel Harry lebt in New York - und New York ist bekanntlich nicht Amerika. Immer wieder wurde uns der Unterschied zwischen Amerika und New York eingeschärft. Amerika: Das ist die Inkarnation alles Guten und Schönen, alles Reinen und Edlen. New York hingegen ist ein wildgewordenes Stadt-Konglomerat unter jüdischer Oberhoheit. Und es läßt sich ja wirklich nicht leugnen, daß in New York mehr Juden leben als in ganz Israel. Es läßt sich nicht einmal leugnen, daß sie besser leben.
    Diese unleugbare Tatsache hat der gesamten amerikanischen Judenschaft einen unleugbaren Stempel aufgedrückt. Die amerikanischen Juden können sich den hohen Lebensstandard, den sie ihren heroischen Brüdern in Israel voraushaben, nicht verzeihen - und suchen ihre Gewissensbisse dadurch zu betäuben, daß sie jeden israelischen Besucher mit Pomp und Gepränge empfangen, als hätte er soeben sämtliche arabischen Armeen in die Flucht geschlagen oder eigenhändig die Wüste fruchtbar gemacht. Noch im kleinsten Provinznest, dessen Einwohnerzahl kaum über die Million hinausgeht, werden dem Besucher aus Israel die höchsten Ehren zuteil.
    Wenn er zum Beispiel Kishon heißt, schallt ihm sofort nach
    Verlassen des Flugzeugs aus mindestens vier Lautsprechern eine schnarrende Stimme entgegen: »Mr. Kitschen wird dringend gebeten, sich beim Informationsschalter einzufinden.« Daraufhin läßt Mr. Kitschen seine Frau auf das Gepäck warten und findet sich dringend beim Informationsschalter ein. Wer eilt ihm dort entgegen? Er hat keine Ahnung. Ein älterer Herr, den er noch nie im Leben gesehen hat, schließt ihn in die Arme und sagt mit einer feierlichen, von innerer Bewegung tremolierenden Stimme: »Kishon? Kishon! Freitagabend sind Sie zum Dinner bei uns. Okay, General?«
    »Okay«, lautet die Antwort. »Aber ich bin kein General. Ich bin Fähnrich der Reserve.«
    Hiervon völlig ungerührt, stellt sich der ältere Herr als Vorsitzender der »Gesellschaft jüdischer Chorvereinigungen« vor, verstaut den Gast samt Gattin und Gepäck in seinem geräumigen Cadillac und

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