Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der seekranke Walfisch. Oder: Ein Israeli auf Reisen.

Der seekranke Walfisch. Oder: Ein Israeli auf Reisen.

Titel: Der seekranke Walfisch. Oder: Ein Israeli auf Reisen. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ephraim Kishon
Vom Netzwerk:
du jemanden fragen«, sagte die beste Ehefrau von allen.
    »Frag doch du!«
    »Ich, wenn mich nicht alles täuscht, bin ich die Dame von uns beiden.«
    Eine ungemein anregende Diskussion war die Folge. Ich erklärte meiner Gattin, daß gerade dehalb, weil sie eine Dame und als solche über jeden Verdacht erhaben wäre, das Einholen derartiger Auskünfte ihr zufiele, nicht mir. Oder sollte ich mich vielleicht auf die Straße stellen, den erstbesten Passanten aufhalten und - ich arbeitete das Lächerliche der Situation kraß heraus - und ihn ganz einfach fragen, wo man in Amsterdam die... also die Fenstersitzerinnen fände. Das kann man mir doch nicht zumuten. Ich sei ein Feigling und sollte mich schämen, resümierte meine Gattin und beugte sich zum Fahrer vor:
    »Sagen Sie einmal... was ist denn hier in Amsterdam besonders sehenswert? Ich meine: besonders?«
    »Im Königlichen Museum wurde gestern eine moderne Kunstausstellung eröffnet«, antwortete der gut unterrichtete Chauffeur. »Und das internationale Musikfestival soll ganz hervorragend besetzt sein.«
    »Ja, gewiß. Aber das meine ich eigentlich nicht. Mein Mann und ich würden gerne etwas wirklich Aufregendes sehen.« »Ich verstehe. Dann gehen Sie doch um Mitternacht in den Hafen, wenn die Gemüsekähne ausgeladen werden. So etwas sieht man nicht oft...«
    »Danke für die Auskunft. Vielen Dank.«
    Ich saß im Fond, das Gesicht von Schamröte übergössen. Andererseits begann sich mein männlicher Stolz zu melden. Ich bin ja kein kleines Kind mehr, das sittsam an der Hand seiner Gouvernante dahinzutrippeln hat. Wenn ich wissen will, wo man die... wo man diese Fenster findet, dann gehe ich eben zum Hotelportier, beuge mich lässig zu ihm vor und frage ohne alle Umschweife: »Hören Sie, lieber Freund, wo sind hier... Sie wissen schon... das mit den Fenstern...«
    Ein Lächeln erhellte das Gesicht des Portiers: »Die Königin weilt um diese Zeit in ihrer Sommerresidenz. Aber den königlichen Palast können Sie jederzeit besuchen. Sie finden ihn mühelos. Jeder Mensch zeigt Ihnen den Weg.«
    »Danke sehr.«
    Es war wirklich zu dumm. Der Gedanke, daß vielleicht ein paar Straßenzüge weiter, ja vielleicht schon hinter der nächsten Ecke die Gegend anfing, wo Scharen lässig hingelehnter Frauen aus allen Fenstern hervorlugten, ohne daß wir sie zu finden wußten - dieser Gedanke konnte einen empfindsamen Menschen sehr wohl an den Rand des Wahnsinns treiben. Ein Glück, daß unser Abend bereits durch eine Einladung des holländischen PEN-Clubs belegt war.
    »Wir fliegen morgen um acht Uhr ab«, zischte die beste Ehefrau von allen. »Wir brauchen die Adresse noch heute nacht!«
    Heute nacht. Dann blieb nur der PEN-Club als Auskunftsstelle übrig. Aber wie sollte ich das Gespräch in die, geeigneten Bahnen lenken?
    Als das Einleitungsgeplauder zu verebben begann, stürzte ich ein Glas des schärfsten indonesischen Reisschnapses hinunter und wandte mich an einen Vertreter des einheimischen Geisteslebens:
    »Spinoza, zu dem Sie ja sicherlich eine besondere, lokalbedingte Beziehung haben - Spinoza hat die These aufgestellt, daß die Philosophie eigentlich nur als Katharsis eines hypokritischen Humanismus aufzufassen sei. Das heißt: Der Philosoph entlarvt die konventionellen Lügen der Gesellschaft, in deren Schatten und unter deren Schutz die menschliche Hypokrisie ihre Paläste baut, die in Wahrheit nichts weiter sind als - verzeihen Sie den Ausdruck - Bordelle!«
    »Ja, ja«, bestätigte mein Gesprächspartner, einer der führenden Erkenntnistheoretiker des Landes. »Spinozas scharfer analytischer Verstand ist bis heute unübertroffen.«
    Der Mann war ein Kretin. Hätte er nur ein wenig Intelligenz und Instinkt besessen, so müßte seine Antwort ungefähr folgendermaßen gelautet haben: >Apropos Bordelle - gleich hier, mitten in Amsterdam, gibt es ein ganzes Viertel, wo Frauen in jeder Preislage in den Fenstern sitzen. Wollen Sie sich das nicht ansehen?< Das wäre die passende Antwort gewesen. Statt dessen erzählt mir dieser Kretin etwas von den philosophischen Analysen eines getauften Juden... Ich kippte einen noch schärferen Brandy, schloß die Augen und versuchte es aufs neue:
    »Spinoza hin, Spinoza her - was mich an Ihrem Land fasziniert, ist seine gesunde, freimütige, von keinen Hemmungen beeinträchtigte Lebensart. Wenn ich richtig informiert bin, gibt es sogar hier, mitten in Amsterdam, ein ganzes Viertel, von dem jedermann weiß, daß es der

Weitere Kostenlose Bücher