Der Seele schwarzer Grund: Kriminalroman (Knaur HC) (German Edition)
er befürchtete, sie würde ihn mit sich hinabreißen.
»Alles in Ordnung«, sagte er mit möglichst ruhiger Stimme. »Uns passiert nichts. Es kann uns nichts anhaben, die Felsen leiten alle Blitze nach unten.«
Er hatte keine Ahnung, ob das stimmte, wusste aber, dass er überzeugend geklungen hatte, als sie ihren Griff lockerte.
»Das … wusste ich nicht …«
»Solange wir mit dem Rücken Kontakt zur Felswand halten. Unterbrechen Sie diesen Kontakt nicht einmal für eine Sekunde.«
Er blickte sie von der Seite an und sah, dass sie ihm glaubte und ihren Körper nach hinten drückte, als hinge ihr Leben davon ab. Sie hatte die Augen fest geschlossen.
Simon zwang sich, seinen Blick von ihr abzuwenden und an andere Orte, andere Dinge zu denken … Er stellte sich seinen Neffen Sam am Wicket vor, den Kopf eifrig gehoben und dem Bowler zugewandt. Die Sonne streifte durch die Pappeln am Rand des Cricketfelds. In Simons Mund war der Geschmack von selbstgebrautem Bier. In Gedanken fuhr er fort, das Bild zu malen, es zu animieren, den Film laufenzulassen, das Cricketspiel fortzusetzen. Alles, um ihn davon abzulenken, wer da neben ihm stand, Zentimeter entfernt auf dem schmalen Vorsprung, und warum und was sie fast sicher getan hatte. Wenn er daran dachte, war es durchaus möglich, dass er sie mit einer einzigen Bewegung die Klippe hinabstieß.
Er sah gerade vor sich, wie Sam das Schlagholz hob und stolz den Beifall für seinen Half-Century entgegennahm, als er plötzlich ein Geräusch hörte, das er nach einem Augenblick als das Klingeln seines in der Innentasche steckenden Handys erkannte.
»Simon? Was zum Teufel machen Sie da?« Die Leitung knisterte, die Stimme war kaum zu verstehen.
Simon informierte Jim Chapman mit einem Halbsatz. Während er sprach, sah er, wie sich der Rücken der Frau versteifte.
»Sie haben verdammtes Glück, am Leben zu sein.«
»Ja.«
»Gut, die Küstenwache ist alarmiert und hat gerade Bescheid gegeben, dass ein Rettungshubschrauber der Royal Air Force unterwegs ist.«
»Gott sei Dank.«
»Irgendwelche Verletzungen?«
»Nichts Ernstes … Ich halte mich zurück.«
»Gut, ja, bleiben Sie dabei, wir wollen den da in einem Stück.«
»Allerdings. Und bei Ihnen da oben?«
Eine winzige Pause. Dann sagte Chapman rasch: »Sie bekommen später einen vollständigen Bericht«, und unterbrach die Verbindung.
Simon war oft genug gewalttätigen Verbrechern nahe gewesen, Mördern und Männern, die ihre Frauen zusammengeschlagen hatten, musste ihnen Handschellen anlegen und sie dabei berühren, was ihm stets Gänsehaut verursachte. Aber das hier war anders. Er hatte vollkommene Gewalt und vollkommene Macht über Edwina Sleightholme, abgesehen von der Tatsache, dass sie sich immer noch plötzlich entschließen konnte, in den Tod zu springen. Doch er glaubte nicht, dass sie es jetzt noch tun würde. Die Angst lähmte sie.
Er überlegte, wie lange sie wohl hier sein würden, bevor der Hubschrauber eintraf, und ob er den Willen aufbringen konnte, sich mit ihr zu unterhalten. Wenn es nur um Minuten ging, brauchte er das nicht, doch wenn sie noch stundenlang warten mussten, würde er reden, sie zum Sprechen bringen, sie wach halten müssen.
Er sah auf ihre Beine in den schwarzen Jeans, die dunkle Haarkappe, die ihr über die Knie fiel. Hatte sie diese Kinder entführt und ermordet? Wie konnte das sein? Das Profil stimmte überhaupt nicht. Es war kein weibliches Verbrechen. Es hätte ein Mann sein sollen.
Wenn sie unschuldig war, warum hatte sie dann die Aufforderung des Streifenwagens, anzuhalten, ignoriert, warum hatte sie versucht, sich und ihren Verfolgern auf der rasenden Fahrt zur Küste das Genick zu brechen? Was hatte sie dazu veranlasst, den abschüssigen Pfad hinunterzurennen, um von ihnen fortzukommen, außer Schuldgefühlen und Angst vor Verhaftung?
Der Felsvorsprung war kalt, und Simons Rücken schmerzte. Seine Arme waren steif, und die Abschürfung in seiner Hand pochte.
Der Sturm verzog sich jetzt grummelnd Richtung Binnenland, und der Himmel war heller geworden, zeigte ein bleiches Grau über dem Meer. Es begann wieder zu regnen, zuerst leichter Sprühregen, der ihnen mit der Gischt ins Gesicht wehte, dann schwere Tropfen, die sie gegen die Felswand peitschten. Aber Simon entdeckte etwas in sich wieder, das ihm entgangen war, etwas, das er einst gekannt und zu dem er fast die Verbindung verloren hatte. Seine Anspannung und Erregung waren unter Kontrolle, das innere Sirren
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