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Der Seele schwarzer Grund: Kriminalroman (Knaur HC) (German Edition)

Der Seele schwarzer Grund: Kriminalroman (Knaur HC) (German Edition)

Titel: Der Seele schwarzer Grund: Kriminalroman (Knaur HC) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Hill
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etwa einen Meter entfernt.
    »Kommen Sie heraus und klettern Sie hinter mir her … Schaffen Sie das?«
    Er blickte sich um. Eine Frau kam aus der Höhle. Kurzes, dunkles Haar. Eine dunkle Jacke. Schwarze Jeans. Weißes, entsetztes Gesicht. Dunkle, eingesunkene Augen.
    Vergiss, wer es ist, konzentrier dich.
    »Kommen Sie … einen Schritt nach dem anderen, machen Sie genau, was ich mache. Tun Sie das, was ich Ihnen sage, okay?«
    »Okay … o Gott, o Gott …«
    »Wir schaffen es da hinauf. Keine Panik. Atmen Sie tief durch. Gut, ich gehe voran. Folgen Sie meinen Schritten.«
    Seine Stimme klang selbstsicher, dachte er, autoritär. Sie würde glauben, dass er genau wusste, was er tat. Er griff nach dem ersten Halt an der Klippe, packte ihn und schwang sich hinauf, scharrte vorsichtig mit den Füßen, um festen Stand zu finden.
    Unter sich hörte er das schnelle, wimmernde Atmen der Frau.
    »Alles in Ordnung. Warten Sie. Jetzt der nächste.«
    Es dauerte hundert Jahre. Es dauerte zwei Minuten. Einmal löste sich ein Felsstück unter seiner Hand, riss ihn fast mit hinunter, aber er schob sich zur Seite und griff nach einem weiteren, das fest blieb.
    Simon erreichte den Vorsprung, hievte sich vorsichtig hinauf, legte sich auf den Bauch und streckte die Hand aus, um die Frau heraufzuziehen.
    Das Meer war über den Sandstreifen gerauscht, über die niedrigen Felsen und in den Höhleneingang hinein. Der Himmel war von einem düsteren, schwefligen Grau, aber die Blitze hatten nachgelassen.
    »Drücken Sie sich gegen die Felswand. Dann werden Sie nicht weggeweht.«
    Sie tat es, weinend vor Angst, mit blutenden Händen und aschfahlem Gesicht.
    Simon wartete, bis sie neben ihm war, den Rücken an der Felswand, gegen die sie sich so fest drückte, als könne sie damit erreichen, dass sich die Wand öffnete und ihren Körper in sich aufnahm.
    Er betrachtete sie.
    Gewöhnlich. Weder attraktiv noch reizlos, weder groß noch klein, weder dick noch dünn. Eine durchschnittliche, mittelgroße Frau mit kurzem Haar. Gewöhnlich.
    »Ich bin Simon Serrailler von der Kriminalpolizei in Lafferton. Und Ihr Name?«
    Sie sah ihn mit offenem Mund an, als hätte er in einer Fremdsprache gesprochen.
    »Wie heißen Sie?« Er hob die Stimme, um das Krachen und Donnern einer unten aufschlagenden Welle zu übertönen.
    Schließlich kam es heraus, ihr Mund bewegte sich seltsam, verschob sich seitlich, als hätte sie einen Schlaganfall erlitten.
    »Ed.«
    »Was ist denn das für ein Name?«
    »Edwina. Edwina Sleightholme.« Sie blickte ihn an. »Was passiert jetzt?«
    »Sie werden aufs Revier gebracht, zum Verhör im Zusammenhang mit der Entführung von Amy Sudden.«
    » Jetzt, Himmel noch mal, jetzt, was wird hier passieren, jetzt ?«
    Sie kauerte sich zusammen und senkte den Kopf. Er hörte ihr angstvolles Weinen.
    Er konnte weder sehen, was über ihnen geschah, noch konnte er sich umdrehen, um hinaufzuschauen. Einmal meinte er, ein Rufen zu hören, doch das wurde von der Brandung übertönt.
    Er war seltsam ruhig. Er war allein hier, mit der Frau. Aber oben auf der Klippe wartete Verstärkung, und sie hatten inzwischen sicherlich Hilfe angefordert; er hatte keine Ahnung, wann die eintreffen würde. Wann trat die Ebbe ein?
    Ed Sleightholme bewegte sich plötzlich ein kleines Stück nach vorne.
    »Seien Sie doch nicht so verdammt dumm.«
    »Ist doch egal, ist doch schon alles egal.«
    Sie zitterte am ganzen Leib.
    Simon wartete, sagte dann: »Eine hässliche Art zu sterben.«
    »Wen kümmert’s?«
    »Habe nicht die geringste Ahnung. Sind Sie verheiratet?«
    Ein leichtes Kopfschütteln.
    »Leben Ihre Eltern noch?«
    Schweigen. Dann wieder die kleine Bewegung, ein paar Zentimeter nach vorne.
    »Freunde?«
    Ihm wurde übel bei dem Gedanken. Aber Familie und Freunde würden nichts wissen. Sie wussten nie etwas. Die Frau könnte diese Kinder und noch ein halbes Dutzend mehr entführt und ermordet und trotzdem gute Freunde, Liebhaber, Menschen haben, denen sie etwas bedeutete, einfach nur weil sie nichts wussten.
    Sie sagte etwas.
    »Wie bitte?«
    Noch mal.
    »Ich kann Sie nicht verstehen.«
    Er hatte gemeint, der Sturm hätte nachgelassen und wäre ins Binnenland gezogen, aber jetzt ging ein Blitzschlag herunter, so nahe bei ihnen, dass es Simon schien, als wäre er direkt neben ihm eingeschlagen. Der Donner ließ ihn den Kopf einziehen. Sie kauerte sich zusammen, drückte sich wieder an die Felswand und umklammerte Simons Arm mit solcher Kraft, dass

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