Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Seele schwarzer Grund: Kriminalroman (Knaur HC) (German Edition)

Der Seele schwarzer Grund: Kriminalroman (Knaur HC) (German Edition)

Titel: Der Seele schwarzer Grund: Kriminalroman (Knaur HC) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Hill
Vom Netzwerk:
zusammengesunken dasaß. Simon schüttelte den Kopf, wandte sich dann, in einem Augenblick des Abscheus, von Sleightholme ab und starrte aus dem Hubschrauberfenster auf das aufgewühlte Meer und den Himmel.

Dreizehn
    M ir geht’s gut«, sagte Cat Deerborn. »Mir geht’s gut. Ich sollte mich doch gegen so einen jungen Rowdy wehren können …« Schwester Noakes nahm ihr die Teetasse ab, bevor sie aus Cats zitternden Händen zu Boden fiel.
    Irgendetwas war passiert, als Cat durch die Tür von Imogen House in die nächtliche Ruhe getreten war. Die Muskeln und Knochen in ihren Beinen fühlten sich an, als hätten sie sich aufgelöst, und Cat war von einer der Schwestern aufgefangen worden, als sie zusammensackte. Jetzt saß sie in Penny Noakes’ Zimmer und kam sich wie eine Idiotin vor.
    »Was ist denn nur mit mir los, Himmel noch mal? Ich bin schon mit viel Schlimmerem fertig geworden.«
    »Schock ist eine komische Sache.«
    »Ich bin zäh.«
    »Sind wir das nicht alle? Und dann wirft uns völlig unvermutet irgendeine Kleinigkeit um. Passiert mir auch. Ein Tod nach dem anderen, alle schwierig, junge Menschen, Schmerz, den wir nicht regulieren können, jemandes Angst … und ich bleibe ganz ruhig. Ich gehe nach Hause, und da liegt eine tote Maus auf der Fußmatte, und ich breche in Tränen aus. Trinken Sie noch etwas Tee.«
    Cats Hand war ruhiger.
    »Was hat die Polizei gesagt?«
    Cat zuckte die Schultern. Irgendein Jugendlicher aus der Dulcie-Siedlung, der ihr Handy geklaut, sie niedergeschlagen hatte und weggerannt war? Sie konnte Simons geduldigen Seufzer hören.
    »Wie geht es Lizzie Jameson?«, fragte sie und stellte die Tasse ab.
    Schwester Noakes blickte auf. Die Schreibtischlampe warf einen Schatten auf ihr Gesicht, doch Cat entging der flüchtige Ausdruck nicht.
    »Scheußliche Sache«, sagte Cat. »Ich geh gleich noch mal zu ihr. Ist Max da?«
    »Ja. Er geht oft in den Garten … läuft herum … setzt sich auf die Bank. Er wird viel Unterstützung brauchen, wenn es vorbei ist, Cat.«
    »Und er ist kein Mann, der sich leicht helfen lässt. Sehr starrköpfig, sehr stolz.«
    »Er ist wütend.«
    »Genau wie ich. Das ist der erste Fall, den ich zu Gesicht bekommen habe, und ich bin wütend, weil es vermeidbar war. Alle Fälle der neuen Variante von CJD waren vermeidbar, sind nur eine Folge von Gier… gierige, verdammte Bauern.«
    »Die Bauern haben das doch nicht gewusst.«
    »Seien Sie nicht so nachsichtig. Im Moment kann ich mit Nachsicht nichts anfangen.« Sie stand auf. »Ich weiß auch nicht, was ich zu Max sagen soll.«
    »Ach, Sie wissen doch immer, was Sie sagen sollen. Das können Sie am besten.«
    »Hm.«
    Auf dem Flur spürte Cat die außerordentliche Atmosphäre des Hospizes, die gewaltige, angestaute Stille, das Gefühl, außerhalb der Zeit zu sein. In Krankenhäusern war das nie so, da gab es immer Klappern, Stimmen und Schritte, ein Gefühl der Dringlichkeit. Hier fehlte das alles. Hier kam es nur darauf an, dass die Patienten gepflegt wurden, möglichst schmerzfrei waren, es bequem hatten und allem, was sie sagen wollten, aufmerksam zugehört wurde. »Am Ruhepol der kreisenden Welt«, dachte Cat immer, wenn sie hierherkam.
    Sie öffnete die Tür zu Lizzies Zimmer.
    Und in diesem Sekundenbruchteil blieb die Zeit stehen. Max Jameson stand neben dem Bett, hielt die Hand seiner Frau zwischen seinen Händen, blickte auf sie hinunter, sein Gesicht starr vor Unglauben und einer Art Entsetzen. Die Schwester auf der anderen Seite von Lizzie schaute zu Cat auf, und nach dem Ausdruck in ihren Augen war alles klar. Es herrschte vollkommene Stille. Das Zimmer war ein Tableau, die Menschen reglos, die Augen der toten Frau nach wie vor offen, ausdruckslos zur Decke gerichtet.
    Dann zerbrach das Bild und zersplitterte in tausend Scherben, deren scharfe Kanten die Stille durchschnitten, als Max Jameson einen Laut ausstieß, den Cat bisher nur ein paarmal im Leben gehört hatte, ein mit Schmerz und Qual, Wut und Furcht vermischtes Heulen. Und dann stürzte er an Cat vorbei, stieß sie aus dem Weg, rannte aus dem Zimmer und den Flur entlang zur Eingangshalle, wobei ihm der Schrei wie eine Blutspur folgte.
    Cat trat an das Bett und ließ ihre Hand sanft über die Augen von Lizzie Jameson gleiten. Sie hatte bereits den Ausdruck, den Cat so gut kannte, den seltsamen, tiefen und fernen Ausdruck der Toten, eine vollständige Versunkenheit, in der sie nicht mehr erreichbar waren. Aber, befreit von dem Ringen und

Weitere Kostenlose Bücher