Der Seelenbrecher
›wegwerfen‹ kann vieles bedeuten. Als Erstes denkt man natürlich an Müll, gerade im Zusammenhang mit ›kaufen‹. Doch dadurch kommt man nie auf die Lösung.«
»Wieso, Mülltüte passt doch?«, fragte Yasmin.
»Nein. Ganz und gar nicht. Eine Mülltüte kauft man, um erst einmal etwas hineinzutun. Nicht um sie gleich wieder wegzuwerfen. «
»Verstehe. Kondom und Taschentuch sind’s dann ja wohl auch nicht. Aber was ist die Lösung?«, fragte Caspar. Greta lächelte verschmitzt.
»Bei dem Wortspiel geht es nicht um das ›weg‹, sondern um das ›werfen‹. Was gibt es denn für Gegenstände, deren einzige Bestimmung es ist, weggeworfen zu werden?«
»Eine Frisbee-Scheibe.«
»Bingo. Oder ein Handball. Sie sehen, es gibt sogar mehrere Lösungen. All das kauft man, um es ›gleich wieder wegzuwerfen‹.«
»Vom wem haben Sie das?« Tom drückte Caspar zur Seite und baute sich so dicht vor Greta auf, dass diese ihn nicht mehr ignorieren konnte.
»Was geht Sie das an?«
»Ich kenne Sie nicht, Lady. Sie sind nur bei uns, weil der da es so wollte.« Caspar zuckte unbewusst mit den Augenlidern, als Schadeck mit dem Zeigefinger direkt auf ihn zeigte. Für einen kurzen Moment konnte er wieder die hakenförmigen Narben auf der Innenfläche seiner Hand erkennen.
»Mr. Blackout, der vorgibt, sich nicht an seine Vergangenheit zu erinnern, und der zufällig genau dann eingeliefert wurde, als der Seelenbrecher eine Pause machte. Und jetzt stehen Sie hier, haben sich im Geiste schon mit Anonymus verbrüdert und lösen auf einmal ein Rätsel nach dem anderen.«
»Ich finde Sie sehr rüde und unverschämt.« Greta schüttelte den Kopf.
»Und ich finde, wir alle hier haben eine Erklärung verdient, wenn es um unser Leben geht. Also, von wem haben Sie von diesem Rätsel gehört?«
»Von Herrn Professor Raßfeld.«
»Na klar, den hätte ich mir jetzt auch ausgesucht. Wie praktisch, dass er gerade verhindert ist, um Ihre Aussage zu bestätigen.«
Bachmann räusperte sich und mischte sich ungewohnt heftig in die Auseinandersetzung ein.
»Seien Sie ruhig, Tom. Frau Kaminsky ist seit Jahren eine Patientin unseres Hauses. Es gibt keinen Grund, ihre Worte in Zweifel zu ziehen. Ich glaube ihr.«
»Ach ja?« Schadecks Halsschlagader trat hervor. »Ja. Raßfeld hat die ersten Opfer des Seelenbrechers im WestendKrankenhaus untersucht. Also hat er sich wahrscheinlich mit den Rätselkarten auseinandergesetzt. Vielleicht haben sie sogar gemeinsam eine Lösung gefunden, nur zu spät.«
»Ja, ja, und vielleicht ist das auch einfach ein Typ mit Schluckauf da draußen, und er wird ihn nur los, wenn er Leute umbringt. Leckt mich doch.«
Tom griff nach Yasmins Arm, um wenigstens eine Verbündete auf seine Seite zu ziehen, wenn sich schon der Rest der Gemeinschaft gegen ihn verschworen zu haben schien. Doch diese wehrte den Annäherungsversuch ab und wandte sich stattdessen an Greta.
»Können Sie denn auch das andere Rätsel lösen? Ich meine, das von Raßfeld.« Sie sah kurz zu dem Kühlfach mit der Leiche, das Caspar bereits wieder geschlossen hatte. »Na klar. Das habe ich bereits.«
»Echt?« Yasmins Augen wurden groß.
»Natürlich«, triumphierte Greta. »Wie ich schon sagte, hat man eine Metaphernfrage geknackt, sind die anderen nicht mehr so schwer.«
Caspar ging zum Seziertisch und nahm sich noch einmal den Zettel, den sie in Raßfelds Mund gefunden hatten. »Man geht durch einen Eingang hinein und kommt durch drei wieder heraus«, las er vor.
»Vielleicht ein Labyrinth, ein Fuchsbau?« schlug Bachmann vor.
»O Mann.« Schadeck imitierte mit Daumen und Zeigefinger eine Pistole an seiner Stirn.
»Unmöglich«, antwortete Greta. »Wie wollen Sie da gleichzeitig aus drei Ausgängen rauskommen.« »Also was ist es?« Auch Caspar wurde immer ungeduldiger. Es war kurz vor halb drei Uhr morgens, draußen rüttelte ein Blizzard an den Grundmauern der Klinik, und im Inneren wütete ein noch viel schlimmerer Sturm, ausgelöst durch einen Psychopathen, der seine Opfer entweder ins Koma quälte, ermordete oder einfach verschwinden ließ. Von welcher Seite aus man es auch betrachtete, es war gewiss nicht der richtige Moment für eine Rätselrunde in der Pathologie.
»Ist doch ganz einfach.« Greta sah erwartungsvoll in die Runde, nur mit Tom suchte sie keinen Blickkontakt. »Ein T-Shirt.«
»Ein T-Shirt?«
»Ja, da hätten Sie auch selber draufkommen können, oder?«
Caspar hörte die Worte, und als er sie verstand, spürte er auf einmal doch die
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