Der Seelenfänger
aus gehärtetem Stahl zu bestehen. Sie war der Star. Und sie sorgte dafür, daß es jedermann spürte.
Starqualität, hatte das Lincoln genannt. Starqualität, das war die gemeinsame Eigenschaft, die all diese Männer und Frauen verband, eine undefinierbare Aura, die sie aus der Masse der Pfarrer und Prediger heraushob. Das Wesen dieser Aura war bei jedem dieser Menschen verschieden, aber vorhanden war sie bei allen.
In den zwei Monaten seiner Fernseh-Tournee hatte Preacher sie alle kennengelernt: Pat Robertson, der sich mit seinem freundschaftlichen Interesse an allem und jedem als guter amerikanischer Nachbar empfahl; Jim Backer, der pausbäckige Junge von nebenan; Jerry Falwell, der mit dem freundlichen Ernst eines Handelskammerpräsidenten auftrat; Robert Shuller, der fröhliche Hausarzt mit dem optimistischen Lächeln, der stets dazu aufforderte, das Beste aus allem zu machen; Paul Crouch mit seinem grellen Sportsakko, der immer auf dem Sprung zu sein schien, ins Auto zu steigen und irgendwelche Abenteuer in der Wildnis zu bestehen; Oral Roberts, der Visionär, der voller Pläne für eine bessere Welt war; Jimmy Swaggart, der es so glänzend verstand, für die Armen und Kranken zu bitten; Rex Humbard, der strenge Zuchtmeister; und schließlich Billy Graham, der größte von allen, die Vaterfigur, an die man sich wenden konnte in Zeiten der Not.
Alle waren sie verschieden, aber alle besaßen sie Starqualität. Jeder von ihnen hatte eine ganz persönliche Beziehung zu Gott und zu Jesus, dem Erlöser der Menschheit.
Auch Katherine Kuhlmann besaß diese Aura. Sie war die liebe fürsorgliche Tante, die mit Hausmittelchen herbeieilte, wenn es irgendwo irgendwelche Wehwehchen gab.
Als sie zurück ins Hotel kamen, blinkte das Licht am Telefon. »Soll ich mich erkundigen, wer angerufen hat?« fragte Joe.
»Ja bitte«, sagte Preacher. Er ging ins Schlafzimmer und warf sich aufs Bett. Er war müde und langweilte sich. Er hatte seine Geschichte schon so oft erzählt, daß er sie selbst nicht mehr hören konnte. Nur gut, daß die Tournee jetzt vorbei war. Katherines Show war der letzte Auftritt gewesen. Morgen war er wieder in Randle bei seinen Freunden.
Joe tauchte in der Tür auf. »Es war diese junge Dame von Randle, Miß Dawson. Sie hat darum gebeten, daß du zurückrufst. Sie sagt, es sei dringend.«
»Ich rufe sie an, wenn wir zum Essen gehen«, sagte Preacher. »So wichtig kann’s ja nicht sein. Ich hab sie seit Monaten nicht mehr gesehen.«
»Es hieß aber doch, es sei dringend«, erwiderte Joe.
»Na, schön. Kannst du mich verbinden?«
Joe ging ins Nebenzimmer. Einen Augenblick später rief er: »Ich stelle durch, sie ist dran.«
Preacher nahm den Telefonhörer ab und lehnte sich in die Kissen zurück. »Hallo, Jane, wo brennt’s denn?«
Ihre Stimme war gequält.
»Ich muß dich unbedingt sehen.«
»Du weißt doch, das geht nicht«, erwiderte Preacher. »Ich habe dir schon gesagt, daß Randle dies nicht paßt.«
»Du kannst einen Zwischenstop einlegen, wenn du in Dallas umsteigst. Das braucht er doch nicht zu erfahren.«
»Nein, Jane. Ich hab es versprochen.« Er begann, auf dem Nachttisch nach einer Zigarette zu suchen. »Warum sagst du mir nicht einfach am Telefon, was du willst?«
»Es könnte ja sein, daß jemand mithört.«
»Hier nicht.«
»Ich bin mir keineswegs sicher, ob nicht mein Telefon angezapft ist.«
Preacher fand keine Zigarette. Allmählich wurde er wütend. »Mir ist es völlig egal, ob jemand mithört oder nicht. Sag mir jetzt entweder, was du willst, oder laß es!«
Die junge Frau weinte.
»Hör schon auf«, knurrte er. »Du bist doch kein Baby.«
»Ich - es tut mir leid«, sagte sie. »Ich bin schwanger.« »Scheiße!« rief Preacher und setzte sich auf. Er dachte einen Augenblick nach. »Jetzt reiß dich zusammen. Ich versuche, heute abend noch eine Maschine zu kriegen.«
Er knallte den Hörer auf die Gabel und stand ruckartig auf.
Joe hörte den Lärm und kam an die Tür. »Was ist los?« fragte
er.
»Jetzt sitzen wir in der Patsche«, erwiderte Preacher. »Kannst du versuchen, für mich einen Flug nach Dallas zu buchen? Heute abend noch, wenn es geht.«
Zwölftes Kapitel
Sie wartete am Fuß der Rolltreppe, als er aus der Abfertigungshalle kam. Ihr Gesicht war ängstlich und blaß. »Preacher«, sagte sie mit erstickter Stimme.
Er küßte sie auf die Wange.
»Hast du gar kein Gepäck?« fragte sie.
»Nein«, sagte er. »Das hab ich Joe mitgegeben.«
»Mein
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