Der Seelenfänger
groß anfingen, wäre mir wohler«, sagte Preacher. »Ich bin doch nicht Billy Graham. Warum sollten die Leute den weiten Weg machen, um einen Niemand zu sehen wie mich?«
»Bis wir soweit sind, kennt Sie jeder im Land. Wir verhandeln gegenwärtig mit allen wichtigen Sendern. Man wird Sie überall, wo religiöse Programme gemacht werden, als Prediger einladen. Und zwar nicht nur einmal, sondern mehrmals im Jahr. Wenn Churchland eröffnet wird, werden Sie bestimmt kein Niemand mehr sein, das garantiere ich Ihnen.«
»Warum sollten die Redaktionen sich darauf denn einlassen?« fragte Preacher verblüfft. »Ich kann ihnen doch auch nicht mehr bieten als andere Pfarrer?«
Randle grinste. »Ach, wissen Sie, irgendwo fehlt es immer; Geld können die Sender fast alle gebrauchen, und das gebe ich ihnen.«
Elftes Kapitel
»Wir haben genau dreißig Tage, um die Show zusammenzustellen«, sagte Lincoln. »Der 700er Club von Pat Robertson ist das meistgesehene religiöse Fernsehprogramm der Nation. Wir haben ganz schön tricksen müssen, damit der Auftakt Ihrer Tournee in seiner Show stattfinden kann.«
Preacher schüttelte den Kopf. »Ich verstehe das nicht, Mr. Lincoln. Ich bin doch Pfarrer und kein Schauspieler oder dergleichen.«
»Ich fürchte, Sie werden beides sein müssen«, erwiderte Lincoln. »Der 700er Club ist eine Art Talkshow. Robertson predigt und läßt zwischendrin Gäste auftreten. Wenn Sie mehr als einer der Gäste sein wollen, die er benutzt, um seine Show zu bereichern, müssen wir uns etwas einfallen lassen.«
»Ich könnte doch einfach erzählen, warum ich an Gott glaube?«
»Das machen sie alle. Das bringt nichts. Wir müssen ein eigenes Thema durchsetzen und schon im Auftreten klarmachen: Hier kommt etwas Neues. Bloßes Reden genügt nicht. Wir dürfen nicht vergessen, daß das Fernsehen ein visuelles Medium ist.«
»Ich weiß nicht«, sagte Preacher. »Dazu fällt mir nichts ein.«
»Mir auch nicht«, erklärte Lincoln. »Deshalb habe ich die Jungs mitgebracht. Ich denke, uns allen zusammen wird schon was Passendes einfallen.«
Preacher warf einen zweifelnden Blick auf die anderen - Jim Woden, den Regisseur, und Mike Bailey, den Assistenten. Er schüttelte den Kopf. »Ich begreife nicht, warum Gott nicht genügt.«
»Bitte verstehen Sie mich nicht falsch, Reverend«, sagte Woden. »Aber von Gott reden alle. Gott ist seit Jahren ein Fernsehstar ersten Ranges. Unser Auftrag besteht aber darin, Sie im Bewußtsein des Publikums zu verankern.«
»Ich habe keine Ahnung, wie man so was anfängt«, sagte Preacher.
»Wie wäre es, wenn Sie uns erst einmal ein paar Dinge aus Ihrem Leben erzählten?« sagte Bailey. »Vielleicht finden wir da einen geeigneten Ansatzpunkt für Ihren Auftritt.«
Preacher lächelte. »Da gibt es nicht viel zu erzählen. Manchmal kommt es mir so vor, als ob ich mein ganzes Leben nur damit zugebracht hätte, den Gott zu suchen, den ich predigen kann.«
»Das ist doch immerhin schon ein Anfang«, sagte Bailey. »Als Titel könnten wir nehmen >Auf der Suche nach Gotte. Wir könnten erst ein paar Bilder aus Ihrer Kindheit und Jugend einblenden, dann die Jahre in Vietnam und dann die Berufung, als Sie sich entschlossen haben, die Gottesgemeinde zu gründen. Als Schluß dann die Zeit mit dem Zelt.«
Preacher lachte laut auf. »Eine glänzende Idee. Aber es gibt keine Fotos und Filme.«
»Kein Problem«, sagte Woden. »Ich kenne genug Fotografen. Die kriegen das mühelos hin.«
»Aber ich sah damals ganz anders aus«, sagte Preacher. »Die meiste Zeit hatte ich einen Vollbart und trug schulterlange Haare. Es würde Monate dauern, ehe sie wieder so lang sind.«
Woden schüttelte lächelnd den Kopf. »Unsere Maskenbildner schaffen das in zwei Stunden. Ein bißchen Make-up und eine
Perücke, und Sie sind im Nu wieder zwanzig.« Er wandte sich an den Chef der Randle Communications. »Was meinen Sie, Mr. Lincoln, gefällt Ihnen das? Sollen wir mal ein Drehbuch entwerfen?«
Lincoln nickte. »Okay. Versuchen wir’s. Das ist zumindest ein Anfang.«
Drei Monate später saß Preacher mit Joe und Lincoln im Künstlerzimmer des Shrine Auditoriums und sah auf dem Monitor zu, wie Katherine Kuhlmann in einem wallenden weißen Gewand aus den Kulissen heraustrat. »Meine Damen und Herren, hören Sie nun Katherine Kuhlmann, die begnadete Evangelistin!« erklärte die ölige Stimme des Fernsehansagers im Off.
Die Kamera schwenkte zum Publikum, das laut applaudierte, und kehrte dann zu
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