Der Seelenjaeger
bewegen begann. Alles um mich herum war verschwunden, kein Wald, kein Zad, kein Bota Ëndërr. Es gab in diesem Moment nur uns. Er hob die Hand. Ich zuckte nicht mal. Noch immer gefangen in den Tiefen seiner Augen, stand ich einfach nur da und starrte den Mann im schwarzen Leder an.
Irgendwo, tief in meinem Inneren stellte ich erleichtert fest, dass es nicht die Hand mit den Enterhaken war, die sich in mein Sichtfeld schob. Langsam, als wären wir in der Zeit gefangen, griff er an das dunkle Tuch, welches weiterhin den Großteil seines Gesichtes verbarg. Stück für Stück zog er den Stoff herunter und gab die Sicht frei. Eine perfekte gerade Nase kam zum Vorschein, die mir das Bild eines Adlers in die Gedanken schießen ließ.
Als ich den Mund in dem wahrlich wunderschönen Antlitz sah, wurde mir regelrecht schwindelig. Nie zuvor hatte ich solch volle rote Lippen gesehen. Wie zwei riesige Kissen, in die man sich einfach hineinstürzen musste, wirkten sie. Das war es, was ich brauchte. All der unwichtige Kram, wie zum Beispiel überleben, war irrelevant geworden. Ich wollte nur noch ihn. Seine weiche makellose Haut streifen, mich im Grün der Augen verlieren und von den samtweichen Lippen kosten.
Ich blieb regungslos vor dem Seelenjäger stehen, sämtliche Gefahr, die er in der Vergangenheit ausstrahlte, war verpufft. Die Überraschung in seiner Mimik war in Sekundenschnelle Verlangen und Lust gewichen. Behutsam, so als wäre
ich
der Gefährliche und nicht umgekehrt, brachte er die Hand an meine Wange. Bei dem Kontakt explodierte ein Feuerwerk in mir. Flammen eroberten meinen Körper. Eine Welle der Hitze durchlief mich und schickte wohlige Schauer über die Haut. Nie wieder im Leben wollte ich etwas anderes, als dass er mich berührte. Die Stelle, an der seine Hand weiterhin ruhte, kribbelte aufgeregt, als würde sie dem gerade Gedachten zu einhundert Prozent zustimmen. Der Mann, der in diesem intimen Augenblick alles andere als düster auf mich wirkte, ließ die Hand in meinen Nacken wandern. Irgendwo, in einem der hintersten Winkel meines Körpers, schrie ein zitterndes Stimmchen, dass Gefahr drohte. Den Fluchtreflex zu aktivieren, gelang ihr allerdings nicht. Die wundervollen Lippen schoben sich mir entgegen. In freudiger Erwartung begann mein Körper Glückhormone auszuschütten, die bis ans Ende meiner Tage ausreichen würden. Die Luft in dem nur noch winzigen Raum zwischen unseren Mündern, schien Funken zu schlagen. Ein Blitz durchfuhr mich, als sich die Lippen berührten. Kurz wurde mir schwarz vor Augen und ich befürchtete, ohnmächtig zu werden. Meinen Körper konnte ich davon überzeugen, dies nicht zu tun und so verlor ich mich im sinnlichsten Kuss, den ich je erlebt hatte. Mit leichtem Druck zog er meinen Kopf fester zu sich. Seine Lippen drängten sich gegen meine. Ich schloss die Augen und ließ mich treiben. Sekunden später wurde die plötzliche Leere in meinem Kopf von fremden Gedanken geflutet. Bilder nisteten sich im Gehirn ein, entmachteten meine eigenen Gefühle und Wahrnehmungen. Sie zeigten mir ein freundliches Licht im dunklen Inneren, einen kleinen Fleck von Geborgenheit, der in die hinterste Ecke gedrängt worden war. Schwarze Finger der Düsterniss berührten es sachte und zuckten zurück, erkannten Gefahr in dem sich windenden Lichtnebel. Der Besitzer dieser Gedanken wünschte sich nicht mehr, als tiefer vorzudringen, er wollte es berühren, es fühlen, es zu einem größeren Teil seiner Selbst machen. So viele Seelen hatte er in seinem Dasein bereits genommen, doch es gab nur eine, an der er sich erfreute. Seltsame Gefühle stießen aus dieser hervor. Freude. Harmonie. Glück. Er wollte mehr davon, wollte glücklich sein, auch wenn er keine konkrete Vorstellung davon hatte, was dieses Gefühl genau bedeutete. Noch immer in einem intensiven Kuss vertieft, schoben sich weitere Bilder in das Durcheinander der Gedanken in meinem Kopf. Bilder, die mich selbst zeigten, umgeben von einer regenbogenfarbenen Aura. Mir wurde bewusst, dass ich die leuchtende Seele besaß, welche der fremde Geist begehrte.
Etwas prallte gegen meinen Körper und zeriss das funkensprühende Band. Die fremden Gedanken wurden aus meinem Geist geschleudert, während ich mit dem Rücken auf dem Waldboden aufschlug. Ich blickte in Zads besorgte Augen. Schwer atmend lag er auf mir und erforschte mein Gesicht.
„Was machst du da?!“, brüllte er mich an. „Bist du von allen guten Geistern verlassen?!“
Ein
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