Der Seelenleser
beide hätte. Und…«, fügte sie nach kurzem Zögern hinzu, » auch wenn Ihnen das sicherlich klar ist, möchte ich es der Fairness halber doch erwähnen: Es würde mich ruinieren. Und das werde ich nicht zulassen. Ich werde einen anderen Weg finden. Und ich werde den Preis dafür bezahlen.«
Kapitel 4
Fane saß in seinem Auto und beobachtete Vera List, wie sie das Stafford verließ. Sie hatte den Kragen ihres Regenmantels hochgeschlagen, um sich vor dem Sprühregen zu schützen, während sie zu ihrem BMW ging, den sie am Ende des Blocks geparkt hatte. Niemand folgte ihr, als sie davonfuhr.
Er tätigte drei Anrufe.
Der erste Anruf galt Roma Solís, einer langbeinigen Kolumbianerin, die Fane vor über zehn Jahren in Bogotá kennengelernt hatte, kurz nachdem er beim SID angefangen hatte. Er war im Rahmen einer Ermittlung nach Kolumbien geschickt worden, und der Kriminalbeamte Felipe Solís war sein Ansprechpartner in Bogotá gewesen. Solís’ Tochter Roma, die an der Universität von Chicago studiert hatte und in die Fußstapfen ihres Vaters treten wollte, war damals eine junge Ermittlerin der Policía Nacional gewesen.
Fane freundete sich mit der Familie Solís an und reiste von da an fast jedes Jahr nach Bogotá, um sie zu besuchen, bis im Jahr 2009 eine geheime Untersuchung Felipes, welche die Aufdeckung einer Verschwörung gegen einen Staatsanwalt zum Ziel hatte, zu zwei Autobomben und einem Flugzeugabsturz führte. Die erste Bombe tötete Felipe und seine Frau, die zweite tötete Romas Schwester und ihre Familie.
Roma hatte kurzfristig einen Auftrag in Santa Marta zugeteilt bekommen und verpasste den Nachtflug zurück nach Cartagena. Das Flugzeug stürzte über dem Dschungel ab. Wenige Tage später kehrte sie schwer bewacht nach Bogotá zurück. Sie sorgte für die Beerdigung ihre Familie, verkaufte ihren Besitz und lebte bereits zehn Tage später in Mexiko-Stadt.
Nachdem Fane gezwungen wurde, beim SID seinen Hut zu nehmen, dauerte es ein Jahr, bis er sich entschied, sein eigenes Geschäft aufzumachen. Sein erster Anruf damals galt Roma. Die Jahre, die sie beim Departamento Administrativo de Seguridad verbracht hatte, dem rücksichtslosen und politisch immer wieder missbrauchten kolumbianischen Äquivalent zum FBI , waren wie ein Universitätsabschluss in Verschwörung und Verschleierung. Drei Wochen später landete sie auf dem internationalen Flughafen von San Francisco.
Das war vor beinahe zwei Jahren gewesen.
Als Nächsten rief Fane Jon Bücher an, einen Spezialisten für Abschirmdienste, der ein kleines Geschäft in einer unordentlich umgebauten Ladenfront in Potrero Hill hatte. Fane hatte Bücher in dem hektischen Jahr nach 9/11 kennengelernt, als einige Beamte des SID zum FBI abgestellt worden waren, um Überwachungslisten zu überprüfen. Bücher war einer derjenigen gewesen, die angestellt wurden, um den Mangel an Technikspezialisten auszugleichen. Er war durch seine Ruhe und seine Kreativität aufgefallen, beides Eigenschaften, die Fane hoch schätzte.
» Jon, ich bin’s, Marten. Ich habe einen kurzfristigen Auftrag für dich. Morgen, im Laufe des Vormittags. Falls du das machen könntest, würde ich das wirklich zu schätzen wissen.«
» Worum geht es?«
» Ich vermute, dass Roma eine komplette Durchsuchung und die Installationen einer ferngesteuerten Kamera empfehlen wird. Bekommst du das so kurzfristig hin?«
» Aber sicher. Brauchst du auch einen Technik-Lkw?«
» Wahrscheinlich. Roma wird die Details mit dir abklären. Ich wollte nur nachfragen, ob du zur Verfügung stehst.«
» Jederzeit«, sagte Bücher.
Der dritte Anruf schließlich ging an Bobby Noble, dessen Firma Virtual Marketing Research nichts mit Marktforschung zu tun hatte.
» Bobby, ich bin’s, Marten. Ich bin in fünfzehn Minuten an der Shell-Tankstelle an der Ecke California und Steiner. Hast du Zeit, dich mit mir dort zu treffen?«
» Na klar. Bis gleich.«
Fane ließ sein Auto an und bog in die Larkin Street ein. Noble hatte ebenfalls eine interessante Vergangenheit. Er war in Panama City in einer Zeit aufgewachsen, als Manuel Noriega das Lieblingskind der CIA war. Sein Vater war politischer Berater der USA für panamaische Politiker gewesen, die gut mit der CIA standen. Bobby Noble hatte in diesen Jahren mit eigenen Augen gesehen, mit welchen Mitteln der Geheimdienst arbeitete, und es hatte ihm nicht gefallen.
Er ging in die Vereinigten Staaten zurück, machte einen Master-Abschluss in Stanford und
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