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Der Seewolf

Der Seewolf

Titel: Der Seewolf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack London
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sein, denn ich konnte von meinem Standort aus nichts erkennen. Die Martinez legte sich hart auf die Seite, Holz krachte und zerbarst. Ich stürzte auf das nasse Deck, hörte Frauen kreischen, dass mir das Blut in den Adern gefror.
    Dann fielen mir die Schwimmwesten ein, die in der Kajüte aufbewahrt wurden, doch in der Tür kamen mir Männer und Frauen in wilder Panik entgegen, sodass ich zurückgedrängt wurde. Was während der nächsten Minuten passierte, weiß ich nicht mehr, aber ich erinnere mich deutlich daran, dass ich die Schwimmwesten von den Gestellen zerrte, worauf der rotgesichtige Matrose hysterische Frauen damit versorgte. Durch das Leck in der Seite des Schiffs quoll grauer Nebel herein und überall fanden sich Spuren einer panischen Flucht. Das Geschrei der Frauen zerrte an meinen Nerven und trieb mich an Deck.
    Dort versuchten Männer die Boote zu Wasser zu lassen, aber die Taue ließen sich nur schwer lösen. Nichts funktionierte! Ein Boot mit Frauen und Kindern lief voll Wasser und kenterte. Ein anderes berührte mit einem Ende schon fast das Wasser, während das andere noch oben an einer Talje festhing.
    Von dem fremden Dampfer, der die Katastrophe verursacht hatte, fehlte jede Spur. Doch einige Männer glaubten, dass sie von dort mit Sicherheit Boote zu unserer Rettung aussenden würden. Ich lief zum unteren Deck. Die Martinez sank schnell. Viele Passagiere sprangen über Bord. Andere, die sich bereits im Wasser befanden, flehten darum, dass man sie zurück an Bord holen möge. Doch niemand kümmerte sich um sie. Dann ertönte ein Schrei: »Wir sinken!«
    In einem Wirrwarr von Leibern sprang auch ich über Bord. Das Wasser war so kalt, dass es schmerzte. Wie die Kralle des Todes fuhr mir die Kälte durch Mark und Bein. Rings um mich herum zappelten und kämpften Menschen ums Überleben. Ich hörte sie schreien. Aber dann hörte ich auch das Platschen von Rudern. Das fremde Schiff hatte seine Boote ausgebracht. Ich wunderte mich, dass ich noch immer lebte. Ich hatte kaum noch ein Gefühl in den Gliedern und eisige Taubheit kroch mir bis ins Herz. Kleine, schäumende Wellen schwappten über mir zusammen und füllten meinen Mund. Alle Geräusche wurden unklar, verschwommen ...
    Irgendwann - ich weiß nicht, wie viel später - kam ich wieder zu mir. Entsetzen packte mich. Ich trieb ganz allein im Wasser, hörte keine Schreie, kein Rufen mehr, nur das dumpfe Geräusch der Wellen, das der Nebel erstickte.
    Panik überfiel mich. Wohin wurde ich getrieben? Was, wenn ich aufs offene Meer hinausgesogen wurde? Und meine Schwimmweste - wenn sie defekt war? Ich konnte keinen Meter weit schwimmen!
    Nach einer Weile musste ich bewusstlos geworden sein, aber irgendwann, Jahrhunderte später, erwachte ich und sah beinahe direkt über mir den Bug eines Schiffes aus dem Nebel tauchen. Es besaß drei windgeblähte Segel. Ich wollte rufen, doch ich war zu erschöpft. Dabei ging es um Leben oder Tod! Als das Schiff an mir vorüberrauschte, konnte ich einen Mann am Steuer erkennen und einen anderen, der eine Zigarre rauchte. Ich sah, wie der Rauch sich zwischen seinen Lippen herauskräuselte, als er langsam den Kopf drehte und in meine Richtung blickte. Gott sei Dank bemerkte er mich, sprang ans Steuerrad, stieß seinen Gefährten zur Seite, wirbelte das Rad herum ... Verzweifelt kämpfte ich dagegen an, wieder in der Bewusstlosigkeit zu versinken. Dann hörte ich Ruderschläge, die näher kamen, und die Rufe eines Mannes: »Warum, zum Teufel, melden Sie sich nicht?«
    Er meint mich, dachte ich, bevor mich erneut Finsternis umhüllte.

Zwei Männer knieten neben mir. Einer bearbeitete mit seinen rauen Händen meinen Oberkörper. Es tat höllisch weh. »Das reicht, Yonson«, sagte der andere. »Du rubbelst dem Herrn sonst die ganze Haut ab!«
    Der Kerl namens Yonson, ein vierschrötiger skandinavischer Bursche, richtete sich auf. Sein Gefährte stammte offensichtlich aus London, so wie er sprach. Er hatte ein hübsches, beinahe weiblich wirkendes Gesicht. Auf dem Kopf trug er eine schmutzige Mütze und eine genauso schmutzige Schürze wies ihn als Koch der verdreckten Kombüse aus, in der ich mich befand. Mühsam setzte ich mich auf und Yonson half mir auf die Füße. Der Koch reichte mir grinsend einen dampfenden Becher. »Hier, der wird Ihnen gut tun.«
    Der Kaffee schmeckte absolut scheußlich, aber seine Wärme weckte meine Lebensgeister. Während ich trank, betrachtete ich meine wunde Brust und wendete mich an den

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