Der Seitensprung
vom Weg aus entdecken, nur von Söder aus würde man die Flammen sehen. Er hatte wohl das Recht, ein Feuer zu machen, wenn er wollte, und es musste in der Nähe des Stegs geschehen. Wie ein endgültiges Reinigungsritual.
An diesem Septembertag vor zwei Jahren und fünf Monaten hatte es eine ganze Woche geregnet, aber wie ein Omen brach der Himmel auf und wurde zwei Stunden, bevor sie kam, vollkommen klar und blau. Sorgfältig hatte er den Picknickkorb gepackt. Sogar Sektgläser aus Plastik hatte er noch schnell unten beim Konsum besorgt, damit alles perfekt wäre.
Sie war wie immer ein bisschen zu spät gekommen, sechsundzwanzig Minuten, um genau zu sein, denn sie hatte unbedingt noch etwas an einem Bild fertig stellen wollen. Eigentlich war das nicht so schlimm, hatte er ein Jahr lang gewartet, konnte er auch noch sechsundzwanzig Minuten länger warten.
Er hatte ein kariertes Küchenhandtuch über den Korb gelegt, und während des Spaziergangs hinunter zur Årstabucht stellte sie neugierige Fragen nach seinem Inhalt. Wie immer plauderte sie vor sich hin, es störte ihn ein wenig, dass sie den Ernst des Augenblicks nicht zu begreifen schien. Es ging um eine Galerie, in der sie vielleicht ihre Bilder aufhängen durfte, und darum, wie nett der Besitzer dieser Galerie war. Das ganze Gespräch verschlechterte seine Laune. Er hasste es, wenn sie Menschen kennen lernte, ohne dass er die Kontrolle darüber hatte. Er wollte alles wissen, was sie machte, wen sie traf und wie sie sich verhielt, wenn sie mit anderen zusammen war. Ein paar Wochen zuvor hatte er sich ein Herz gefasst und versucht, mit ihr darüber zu reden, ihr zu erklären, wie er sich dabei fühlte. Nach diesem Gespräch war etwas geschehen, das ihn beunruhigte. Für ihn war alles, was er gesagt hatte, ein Beweis seiner grenzenlosen Liebe gewesen, aber irgendwie musste sie ihn missverstanden haben. In den vergangenen Wochen hatte er das Gefühl gehabt, dass sie sich ihm entzog, sie hatte plötzlich nicht mehr mit ihm Mittag essen wollen wie sonst, und einmal, als er an die Tür zum Atelier klopfte, hatte sie so getan, als wäre sie nicht zu Hause, obwohl er genau wusste, dass sie da war.
Nun würde er dafür sorgen, dass alles wieder gut würde.
Er hatte gedacht, sie würden sich auf die Bank oberhalb vom Yachtclub setzen, aber als sie sah, dass die Tore offen standen, wollte sie unbedingt auf den Bootssteg hinausgehen. Sie wählte den rechten und ging an den wenigen Booten vorbei, die noch immer im Wasser lagen und darauf warteten, für den Winter ins Trockene geholt zu werden. Sie gingen, so weit der Steg reichte, und er stellte den Picknickkorb auf den Untergrund aus Beton. Die Bank wäre besser gewesen. Sie trat neben ihn und schaute aufs Wasser. Eine Strähne ihres dunklen Haars hatte sich aus der Spange im Nacken befreit und über die Wange gelegt. Er widerstand der Versuchung, sie zurückzustreichen, ihr Gesicht zu berühren.
»Mein Gott, wie schön. Guck dir das Söderkrankenhaus an!«
Er schaute in die Richtung, in die ihr Zeigefinger wies. Die Sonne ließ die Fenster an dem riesigen weißen Gebäude erglühen, als wäre hinter jedem einzelnen ein Feuer entzündet worden.
»Ich hätte meinen Skizzenblock mitnehmen sollen.«
Er ging in die Hocke, zog das Handtuch vom Korb, legte es wie eine Decke auf den Beton und stellte die Sektgläser hin.
»Ui«, lachte sie überrascht. »Ein Fest!«
Er spürte jetzt seine Nervosität, bereute es beinahe. Irgendwie schien sie nicht anwesend zu sein. Alles hätte so viel einfacher sein können, wenn sie ihm entgegengekommen wäre. Er holte den Kartoffelsalat und das gegrillte Hähnchen heraus, streckte die Hand nach der Sektflasche aus und erhob sich.
Ihr Lächeln. Er musste sie berühren.
»Was feiern wir?«
Er lächelte ihr zu, war unfähig, die Worte zu sagen, noch nicht.
»Ist etwas Tolles passiert?«
Jetzt sah sie ihn neugierig an, sah ihn wirklich an. Zum ersten Mal seit Wochen bekam er ihre gesamte Aufmerksamkeit. Endlich war sie wieder da, bei ihm, wo sie immer sein sollte.
Er reichte ihr das Glas in sicherer Gewissheit.
»Willst du mich heiraten?«
Monatelang hatte er sich diesen Augenblick ausgemalt. Wie ihr schönes Gesicht in diesem Lächeln aufgehen würde, das ihre Augen zu Schlitzen werden ließ. Wie sie auf ihn zukommen würde, ganz nah, und ihm in vollkommenem Zutrauen endlich erlauben würde, sie zu küssen, sie anzufassen. Sie, die sich durch ihr Leben hatte kämpfen müssen,
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