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Der Seitensprung

Titel: Der Seitensprung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Alvtegen
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Fotografie. Seine lächelnden Augen. Ich weiß nicht, ob ich dich noch will, ob ich mit dir weiterleben möchte.
    Wieso hatte er nichts gesagt?
    »Aber warum? Wie hast du dir das überhaupt vorgestellt?«
    Er zuckte leicht mit den Achseln und seufzte.
    »Wir haben keinen Spaß mehr.«
    Sie drehte sich um und ging zum Schlafzimmer, mehr wollte sie nicht hören.
    Mit dem Rücken an der geschlossenen Schlafzimmertür blieb sie stehen. Axels ruhige, sichere Atemzüge. Immer in der Mitte, wie eine Verbindung zwischen ihnen, Nacht für Nacht. Eine Versicherung und eine Verpflichtung, durch die sie für immer zusammengehörten.
    Mama, Papa, Kind.
    Eine Alternative gab es nicht.
    Wir haben keinen Spaß mehr.
    Er saß da draußen auf dem Sofa und hielt ihr gesamtes Dasein in seinen Händen. Welchen Sender sollte er wählen? Er hatte ihr soeben die Kontrolle über ihr Leben entrissen, was sie wollte, spielte keine Rolle, alles hing von ihm ab.
    Ohne sich auszuziehen, kroch sie unter die Decke, legte sich dicht an den kleinen Körper und fühlte die Panik aufsteigen.
    Wie sollte sie dieses Problem lösen?
    Und dann die lähmende Müdigkeit. Sie war es so leid, immer die Verantwortung zu tragen, immer tüchtig zu sein, alles voranzubringen und dafür zu sorgen, dass alles erledigt wurde, was getan werden musste. Schon zu Beginn ihrer Bziehung hatte jeder seine Rolle übernommen. Damals hatten sie hin und wieder darüber gelacht, hatten über ihre Ungleichheit gescherzt. Mit den Jahren waren die Reifenspuren so tief geworden, dass eine Umkehr nicht mehr möglich war. Sie tat das, was getan werden musste, zuerst und dann das, was sie wirklich wollte, falls noch Zeit übrig blieb. Er machte es umgekehrt. Und wenn er getan hatte, was er wollte, war das, was getan werden musste, schon erledigt. Sie beneidete ihn. Hätte es am liebsten genauso gemacht wie er. Aber dann wäre alles zusammengebrochen. Sie wusste nur, dass sie sich unbeschreiblich danach sehnte, dass er ab und zu das Ruder übernahm. Ihr erlaubte, sich ein Weilchen hinzusetzen, um sich auszuruhen. Dass sie sich ein Weilchen bei ihm anlehnen durfte.
    Stattdessen saß er da draußen auf ihrem kürzlich abbezahlten Sofa und guckte das Verkehrsmagazin und stellte ihre gemeinsame Zukunft infrage, weil er keinen Spaß mehr hatte. Als ob sie herumgelaufen und vor Freude über ihr Leben jubiliert hätte. Aber sie versuchte es zumindest, sie hatten ja verdammt nochmal ein Kind zusammen!
    Wie war es so weit gekommen? Wann war die Wende eingetreten? Warum hatte er ihr nicht von seinen Gefühlen erzählt? Es war ihnen einmal gut zusammen gegangen, sie musste ihn zu der Einsicht bewegen, dass es wieder so werden konnte, wenn sie nur nicht aufgaben.
    Aber woher sollte sie die Kraft nehmen?
    Das Geräusch des Fernsehers verstummte. Erwartungsvoll horchte sie hin, als sich seine Schritte der Schlafzimmertür näherten. Und dann die Enttäuschung, als sie, ohne langsamer zu werden, vorbeigingen und ihren Weg zum Arbeitszimmer fortsetzten.
    Einen einzigen Wunsch hatte sie.
    Einen einzigen.
    Dass er zu ihr hereinkäme und sie umarmte und sagte, dass alles wieder so werden würde wie früher. Dass sie diese Sache gemeinsam durchstehen würden, dass all das, was sie sich während der letzten Jahre aufgebaut hätten, wert sei, darum zu kämpfen. Dass sie sich keine Sorgen zu machen bräuchte.
    Er kam nicht.

 
    ER WUSSTE ES in dem Moment, als sie das Zimmer betrat. Sie war ihm in den letzten Monaten durchs Haus gefolgt, um ein Gespräch anzufangen, aber irgendwie war es ihm immer wieder gelungen, ihr zu entkommen. Es wäre so einfach gewesen, weiterhin zu schweigen, sich weiterhin im dumpfer werdenden Alltag zu verstecken und dem Abgrund auszuweichen.
    Nun war es zu spät. Nun stand sie dort und versperrte ihm den Weg zu seiner Freistatt im Arbeitszimmer, und diesmal hatte er keine Chance.
    Wie sollte er jemals die Wahrheit sagen? Mit welchen Worten würde er es wagen zu erzählen? Und dann diese lähmende Angst. Nicht nur vor seinen Gefühlen und ihren Folgen, sondern auch vor ihrer Reaktion. Er fragte sich, ob sie hören konnte, wie sein Herz klopfte, wie es versuchte, sich zu befreien und zu fliehen, um nicht offenbaren zu müssen, was sich in seinem Innern verbarg.
    Und dann ihre Frage, die den Stein ins Rollen brachte.
    »Stellst du etwa unsere gemeinsame Zukunft infrage?«
    Ja! Ja! Ja!
    »Ich weiß nicht.«
    Er verabscheute diese Angst, und er hasste es, dass sie diejenige war, die sie

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