Der Seitensprung
für dich da, wenn du mich brauchst, das bin ich immer gewesen, auch wenn ich es manchmal nicht so gut zeigen konnte, ich will alles tun, um mich zu bessern. Ich bin hier, und das werde ich immer sein.«
Nun sah er beinahe elend aus. Seine Oberschenkel pressten sich an die Unterseite des Tabletts, und aus der Tasse schwappte Kaffee über und floss unter den Butterteller.
Sie wunderte sich, dass sie ihn jemals hatte anfassen können. Er hockte da in seiner ganzen Jämmerlichkeit und war so feige, dass sie ihn am liebsten geschlagen hätte.
Steh auf, verdammt nochmal, steh ein für das, was du tust!
Rückwärts ging sie zur Tür. Sie musste den Raum verlassen, bevor sie sich entlarvte.
Als Letztes sah sie, wie er das Tablett anhob. Sie verließ das Schlafzimmer, setzte ihren Weg die Treppe hinunter fort und ging geradewegs zum Waffenschrank.
ES HING KEIN Strafzettel an der Windschutzscheibe, als er nach draußen kam. Das erstaunte ihn nicht sonderlich, er betrachtete es vielmehr als Selbstverständlichkeit. Zum letzten Mal waren die Eingangstüren zurückgewichen, als sie seine Anwesenheit gespürt hatten, aber diesmal hatten sie ihn nicht hinausgeworfen, ihn, der sich voller Angst und Einsamkeit nach dem nächsten Mal sehnte, wenn ihm wieder Einlass gewährt würde. Diesmal waren sie ehrfürchtig zur Seite geglitten und hatten ihn zu seinem neuen Leben beglückwünscht. Jetzt fing alles an. Alles, was er bisher durchgemacht hatte, war eine Prüfung gewesen, damit er sich das, was ihn jetzt erwartete, auch verdient hatte. Er würde dem Leben eine Ungerechtigkeit nach der anderen vergeben. Zusammen mit ihr würde alles wieder gut werden.
Zum letzten Mal bog er in den Solnavägen ein und dann rechts ab zum Essingeleden. Die Hauptverkehrszeit war vorüber, und die Heimfahrt dauerte wie immer nur achtzehn Minuten. Wie bisher.
Als er zu Hause im Storsjövägen ankam, fuhr er rückwärts bis zur Eingangstür, schaltete den Motor aus, stieg aus und öffnete den Kofferraum. Er hatte viel vor heute, am besten fing er sofort damit an.
Die Umzugskartons standen zusammengefaltet im Keller. Er holte vier Stück und nahm den Aufzug hinauf zum Atelier. Als er die Tür öffnete, kam ihm ein muffiger Geruch entgegen, aber er machte sich nicht die Mühe zu lüften. Stattdessen stellte er zwei Pappkartons auf und bedeckte ihre Böden mit Zeitungspapier. Der Hibiskus hatte eine seiner beiden rosa Blüten verloren, und die übrig gebliebene hing herunter wie ein schrumpeliger Darm. Er warf den Topf mit dem Hibiskus in einen der Kartons. Zwei Jahre und fünf Monate lang hatte er all ihre Topfpflanzen am Leben erhalten, aber nun war damit Schluss.
Er trug keine Verantwortung mehr für ihr Leben.
Durch die Erde waren die Kartons schwerer, als er gedacht hatte, und er musste sie zum Aufzug schleifen. Nachdem er sich ein letztes Mal umgesehen und sich versichert hatte, dass jedes Leben in der Wohnung in den Umzugskisten gelandet war, zog er hinter sich die Tür zu, verriegelte beide Schlösser und warf den Schlüssel durch den Briefschlitz.
Nie wieder.
Dann ging er in seine eigene Wohnung.
Einige der Rahmen waren zu groß, um in den Kartons Platz zu finden, sodass er sie mit einem Hammer kaputtschlagen musste.
Als die Wände leer waren, sah die Wohnung völlig nackt aus. Genauso nackt und unbefleckt, wie er selbst werden würde. Er würde jeden Gedanken, jede Erinnerung ausräumen, jeden Winkel reinigen, um Raum zu schaffen für die Liebe, die er gefunden hatte.
Vollkommen rein und unschuldig würde er sie in Empfang nehmen. Sich als würdig erweisen.
Er öffnete den Schrank, nahm ihre Kleider heraus, die er aus dem Atelier heruntergeholt hatte, und stopfte sie zwischen die Bilder. Ihr Duft war schon vor langer Zeit aus ihnen gewichen, aber sie hatten ihm trotzdem Gesellschaft geleistet, wenn die Einsamkeit zu schwer wurde.
Nun brauchte er sie nicht mehr.
Nie wieder.
Die letzte Kiste musste er auf den Beifahrersitz stellen, damit sie überhaupt ins Auto passte. Die Uhr am Armaturenbrett stand erst auf halb zwölf, das war viel zu früh. Er musste auf den Abend warten, um nicht zu viel Aufmerksamkeit zu erregen. Auf der anderen Seite würde er die Kartons das letzte Stück tragen müssen, denn man konnte nicht weiter als bis zum Yachtclub fahren, und das würde eine Weile dauern. Am liebsten hätte er es auf dem Steg getan, aber er sah ein, dass es dort unmöglich war. Dafür am Strand gleich daneben. Niemand würde ihn
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