Der Selbstversorger (Einzeltitel) (German Edition)
keine biologische, sondern eine kulturell-sprachliche Kategorie. Menschen aus Jäger-und-Sammler-Kulturen kennen den Begriff nicht. Auch nicht die Völker, die einfachen Hackbau betreiben. Für sie sind die wild wachsenden Kräuter wie alle Pflanzen Kinder der Mutter Erde. Sie sind Nahrungspflanzen, Heilpflanzen, Giftpflanzen (wie etwa die saponinhaltigen Gewächse, die beim Fischfang, oder andere, die als Pfeilgifte verwendet werden), psychoaktive Zauberpflanzen, aphrodisische oder zum Färben benützte Pflanzen oder solche, die den Geistern und Göttern gehören. Erst für die wirklich Landwirtschaft betreibenden Völker der Jungsteinzeit wurden sie lästige Konkurrenten der Kulturpflanzen. Ackerunkräuter und Ruderalpflanzen (das sind Pflanzen, die solche Flächen besiedeln, auf denen die natürliche Vegetation vom Menschen komplett zerstört wurde, etwa Schutthalden), wie der trittfeste Ampfer, Kamille und Wegerich, Klatschmohn, Gänsedisteln, Königskerzen, Kletten, Malven, Leinkräuter, Kornblumen, Kornraden und viele andere, hielten mit den ersten Bauern Einzug im mittleren Europa, den Bandkeramikern, die vom Südosten her siedelten. Unkräuter sind, wie „Untiere“ oder „Unmenschen“, Teil des Weltbildes, das die Schöpfung in Gut und Böse teilt. Ein besseres Wort für diese Pflanzen wäre etwa Garten- oder Ackerbegleitkräuter.
Was man heute oft nicht bedenkt, ist, dass viele unserer Kulturpflanzen zunächst als Unkraut in den ersten Feldern wuchsen. Allmählich mauserten sie sich zu brauchbaren Gewächsen. In den ersten Weizenfeldern wuchsen Roggen und Hafer als Begleitkräuter, die später eigenständig in Kultur genommen wurden. Linsen, Tomaten, Buchweizen, Gemüsemelde, Fuchsschwanz, Feldsalat und viele andere Gemüse und Feldfrüchte waren ursprünglich „Unkräuter“.
Begleitkräuter als Zeigerpflanzen
Die Gartenbegleitkräuter sind gute Zeigerpflanzen. Ihr Erscheinen im Jahr und ihr Aufblühen zeigt – im Gegensatz zu dem starren, abstrakten, offiziellen Kalender – den wirklichen oder natürlichen (phänomenologischen) Kalender an, der jedes Jahr verschieden und für den Gärtner wesentlich ist.
Weiterhin zeigen die dominanten Begleitkräuter den Zustand des Bodens an: Ist der Standort trocken oder feucht, nährstoffarm oder nährstoffhaltig, ist er sauer (kalkarm) oder alkalisch, ist der Boden verdichtet oder hat er eine gute Gare? Hier einige Beispiele für solche Zeigerpflanzen:
Säureanzeiger: Auf mageren kalkarmen Böden wachsen unter anderem der Kleine Sauerampfer, Ackerspörgel, Sauerklee, Blutwurz, Hasenklee, Hohlzahn und Sandstiefmütterchen.
Alkalianzeiger: Auf kalkreichen Böden wächst die Ackerhaftdolde, Ackerrittersporn, der Venuskamm, der Ackerkohl, der Blaue Gauchheil, der Kleine Wiesenknopf, Wegwarte und Wiesensalbei.
Stickstoffanzeiger: Auf nährstoffreichen, nitratreichen Böden findet man Einjähriges Bingelkraut, Bärenklau, Brennnessel, Franzosenkraut, Hühnerhirse, Klettenlabkraut, Quecke, Raue Gänsedistel, Taubnessel, Vogelmiere, Wiesenkerbel.
Anzeiger nährstoffarmer Böden: Das sind Hungerblümchen, Blutwurz, Hornkraut.
Feuchteanzeiger: Feuchte oder staunasse Böden werden besiedelt von Ackerschachtelhalm, Kriechendem Hahnenfuß, Ruhrkraut, Rossminze, Scharbockskraut und Vergissmeinnicht.
Verdichtete Böden: Auf verdichtete Böden weist ein Bewuchs mit Ackerschachtelhalm, Ampfer, Huflattich, Vogelknöterich und Breitwegerich hin.
„Es ist erstaunlich, wie viele wirksame Heilkräuter sich unter den Gartenunkräutern befinden, die sich von selbst in jedem Garten ansiedeln.
Wasserdost ist ein Feuchteanzeiger – in der Natur wächst er gern an Bachläufen. Im Garten braucht die Staude einen Platz am Rand, wird er doch bis zu zwei Meter hoch. Als Tee oder als Kaltauszug stärkt er das Immunsystem.
Die Unkräuter im Ökosystem Garten
Diese Begleitkräuter sind nicht etwas Böses, gegen das man entschlossen mit Gift, Feuer und mechanischen Mitteln vorgehen sollte. Genauer betrachtet, haben sie unzählige positive Eigenschaften. Viele, wie Vogelmiere, Gundermann, Gauchheil oder der Persische Ehrenpreis, schützen den Boden als Bodendecker, halten ihn feucht und fördern die Gare. Die Blüten vieler Begleitkräuter spenden Nektar und Pollen für nützliche Insekten oder Samen für Singvögel.
Die meisten Unkräuter sind Tiefwurzler, die mit ihren Wurzeln die Pflugsohle durchbrechen, den verdichteten Boden lockern und durchfasern, den Untergrund für schwächere
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