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Der seltsame Mr Quin

Der seltsame Mr Quin

Titel: Der seltsame Mr Quin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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war das rechte.«
    Der Inspektor hustete. »Dies habe ich im Gras gefunden«, ließ er sich herab zu sagen. Er hielt einen Ring aus goldenem Draht hoch.
    »Aber, Mann Gottes!«, rief Porter. »Das Ding kann doch nicht durch einen einfachen Sturz weggerissen worden sein. Mir scheint es eher nach einer Kugel auszusehen, die man auf sie abgefeuert hat.«
    »So war es!«, rief Mr Sattersway. »Eine Kugel! So muss es gewesen sein.«
    »Es wurden nur zwei Schüsse gehört«, stellte der Inspektor fest. »Die Kugel kann sie nicht am Ohr gestreift und dann in den Rücken getroffen haben. Und wenn die erste Kugel den Ohrring traf und die Zweite sie tötete, konnte sie nicht auch Captain Allenson töten – außer, er stand dicht vor ihr, sehr nahe, und sah sie an. Nein, selbst dann nicht. Es sei denn…«
    »Es sei denn, sie lag in seinen Armen. Das wollten Sie doch sagen«, bemerkte Mr Quin mit seinem seltsamen kleinen Lächeln. »Nun, warum nicht?«
    Sie starrten sich an. Die Vorstellung war so unglaublich, so seltsam – Allenson und Mrs Scott! Mr Unkerton sprach ihre Gedanken aus: »Sie kannten sich doch kaum«, meinte er.
    »Ich bin mir nicht sicher«, sagte Mr Sattersway nachdenklich. »Vielleicht haben sie sich besser gekannt, als wir ahnen. Lady Cynthia erzählte mir, dass er sie im letzten Winter in Ägypten vor der Langeweile rettete, und Sie – «, er deutete auf Porter, »Sie sagten, dass sich Richard Scott und seine Frau letzten Winter in Kairo kennen lernten. Vielleicht haben sie sich sehr wohl schon länger gekannt.«
    »Sie waren nie viel zusammen«, sagte Unkerton.
    »Ja – sie mieden sich eher. Es war schon beinahe unnatürlich, wenn ich es recht bedenke…«
    Alle sahen Mr Quin an, etwas entsetzt über die Schlussfolgerung, zu der sie so unerwartet gelangt waren.
    Mr Quin erhob sich. »Da sehen Sie«, sagte er, »was Mr Sattersways Erzählung angerichtet hat!« Er wandte sich an Unkerton. »Sie sind an der Reihe.«
    »Ich? Ich verstehe Sie nicht.«
    »Sie waren sehr nachdenklich, als ich eintrat. Ich möchte gern wissen, welcher Gedanke Sie derart beschäftigt hat. Es macht nichts, wenn er mit der Tragödie selbst gar nichts zu tun hat. Es macht auch nichts, wenn Sie es abergläubisch finden…« Mr Unkerton zuckte zusammen, nur ein wenig. »Erzählen Sie!«
    »Ich habe nichts dagegen«, antwortete Unkerton. »Obwohl es nichts mit der Sache zu tun hat und Sie mich obendrein noch auslachen werden. Ich habe mir gewünscht, dass meine Frau die Scheibe in dem Geisterfenster in Ruhe gelassen und nicht durch eine neue ersetzt hätte. Ich glaube, dass dadurch ein Fluch über uns gekommen ist.«
    Er begriff nicht, warum ihn die beiden Männer, die ihm gegenübersaßen, so anstarrten.
    »Aber sie hat sie nicht ersetzt!«, sagte Mr Sattersway schließlich.
    »Doch, das hat sie! Der Glaser kam gleich heute Früh.«
    »Mein Gott!«, sagte Porter. »Ich fange an zu verstehen. Das Zimmer hat eine Täfelung, keine Tapete!«
    »Ja. Aber was hat das mit…«
    Doch Porter war bereits zur Tür hinausgestürzt. Die Übrigen folgten ihm. Er lief die Treppe hinauf und zum Zimmer der Scotts. Es war ein bezaubernder Raum, mit hellgelb gestrichenem Holz verkleidet und zwei Fenstern, die nach Süden gingen. Porter tastete mit seinen Händen über die Täfelung an der Westwand.
    »Irgendwo muss eine Feder sein – irgendwo. Aha!« Ein Klicken war zu hören, und ein Teil der Verkleidung schwang zurück. Dahinter kamen die schmutzigen Scheiben des Geisterfensters zum Vorschein. Eine Scheibe war neu und sauber. Porter bückte sich hastig und hob etwas auf. Er legte es auf den flachen Handteller und streckte den Arm aus. Es war ein Stück Straußenfeder. Dann sah er Mr Quin an. Mr Quin nickte.
    Er trat an den Kleiderschrank. Mehrere Hüte lagen in einem Fach – die Hüte der Toten. Er nahm einen mit einem großen Rand und Federn heraus – ein sehr extravagantes Modell.
    Mit leiser, nachdenklicher Stimme begann Mr Quin zu sprechen.
    »Nehmen wir einmal an«, begann er, »da ist ein Mann, der von der Veranlagung her unglaublich eifersüchtig ist, ein Mann auch, welcher bereits früher einmal in diesem Haus gewohnt hat und das Geheimnis der Wandtäfelung kennt. Nur so zum Spaß probiert er sie eines Tages aus und blickt in den ›Verschwiegenen Garten‹ hinunter. Dort entdeckt er seine Frau mit einem andern. Sie glauben sich vor allen Blicken sicher. Über ihre Beziehung gibt es – nach allem, wie sie sich benehmen – keinen Zweifel.

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