Der seltsame Mr Quin
auf den Eingang zu diesem ›Verschwiegenen Garten‹ zu. Wenn jemand den Garten verlassen hätte, würde er diesen Eingang benützt haben. Die Stechpalmenhecke ist ein undurchdringliches Hindernis. Wenn jemand hinausgerannt und nach rechts eingebogen wäre, hätten ihn Mr Unkerton und Mr Scott gesehen. Wenn er sich nach links gewandt hätte, wäre er auf Sie gestoßen. Ist das richtig?«
»Das ist richtig«, antwortete Major Porter. Sein Gesicht war sehr bleich.
»Damit ist der Fall klar«, fuhr der Inspektor fort. »Mr und Mrs Unkerton und Lady Cynthia Drage saßen auf dem Rasen. Mr Scott befand sich im Billardzimmer, das auf den Rasen hinausgeht. Um zehn Minuten nach sechs Uhr trat Mrs Staverton aus dem Haus, wechselte ein paar Worte mit den Herrschaften auf dem Rasen und bog um die Hausecke in Richtung des ›Verschwiegenen Gartens‹. Zwei Minuten später hörten Sie die Schüsse. Mr Scott stürzte aus dem Haus und lief zusammen mit Mr Unkerton zum ›Verschwiegenen Garten‹. Zur gleichen Zeit trafen Sie und Mr – hm – Sattersway von der entgegengesetzten Seite aus ein. Mrs Staverton stand in dem Garten mit einer Pistole in der Hand, aus der zwei Schüsse abgegeben worden waren. So wie ich die Sache sehe, erschoss sie die Dame von rückwärts, während diese auf der Steinbank saß. Dann sprang Captain Allenson auf und wollte sich auf sie stürzen, und sie schoss ihm in die Brust. Soviel ich hörte, hat früher einmal eine gewisse – hm – Bindung zwischen ihr und Mr Richard Scott…«
»Das ist eine verdammte Lüge«, warf Porter ein.
Seine Stimme klang rau und trotzig. Der Inspektor reagierte nicht darauf, sondern schüttelte nur den Kopf.
»Was hat sie selbst denn gesagt?«, fragte Mr Sattersway.
»Sie sei in den ›Verschwiegenen Garten‹ gegangen, um eine Weile allein zu sein. Gerade ehe sie um die letzte Biegung der Hecke kam, hörte sie die Schüsse. Dann sah sie die Pistole im Gras liegen und hob sie auf. Niemand ging an ihr vorbei, niemand war im Garten außer den beiden Opfern.« Der Inspektor schaltete eine bedeutsame Pause ein. »Das behauptet sie, und obwohl ich sie gewarnt habe, bestand sie darauf, eine Aussage zu machen.«
»Wenn sie das sagt«, erklärte Major Porter, dessen Gesicht immer noch sehr blass war, »dann ist es die Wahrheit. Ich kenne Iris Staverton.«
»Nun, Sir«, bemerkte der Inspektor, »es wird noch viel Zeit bleiben, sich näher mit allen Umständen zu befassen. Inzwischen muss ich meine Pflicht tun.«
Mit einer heftigen Bewegung wandte sich Porter an Mr Sattersway. »Und Sie! Können Sie nicht etwas unternehmen? Können Sie nichts tun?«
Gegen seinen Willen fühlte sich Mr Sattersway äußerst geschmeichelt: Man bat ihn um Hilfe, ihn, einen so unbedeutenden Menschen, und ausgerechnet ein Mann wie John Porter.
Er wollte gerade eine bedauernde Antwort hervorstoßen, als der Butler Thompson mit einer Visitenkarte auf einem silbernen Tablett eintrat, das er seinem Herrn mit einem entschuldigenden Hüsteln reichte. Mr Unkerton saß immer noch zusammengesunken in seinem Sessel und hatte an dem Gespräch nicht teilgenommen.
»Ich habe dem Gentleman erklärt, dass Sie ihn vermutlich nicht empfangen würden, Sir«, sagte Thompson, »doch er behauptete, eine Verabredung mit Ihnen zu haben. Es sei äußerst dringend.«
Unkerton nahm die Karte. »Mr Harley Quin«, las er laut. »Ich erinnere mich, dass er mich wegen eines Bildes aufsuchen wollte. Ich traf eine Verabredung mit ihm, doch so, wie die Dinge liegen…«
Da trat Mr Sattersway vor. »Mr Harley Quin, sagten Sie?«, rief er. »Wie seltsam, wie außerordentlich seltsam! Major Porter, Sie fragten mich, ob ich Ihnen nicht helfen könnte. Ich glaube, ich kann Ihnen helfen. Dieser Mr Quin ist ein Freund – oder besser gesagt, ein Bekannter von mir. Ein höchst bemerkenswerter Mann.«
»Einer dieser Amateurdetektive, soviel ich weiß«, bemerkte der Inspektor verächtlich.
»Nein«, wehrte Mr Sattersway ab. »Zu dieser Sorte von Leuten gehört er ganz und gar nicht. Aber er verfügt über die Gabe – eine beinahe unheimliche Gabe –, einem zu zeigen, was man mit den eigenen Augen wirklich gesehen hat, einem klarzumachen, was man mit den eigenen Ohren tatsächlich gehört hat. Auf jeden Fall sollten wir ihm in groben Umrissen erzählen, was passiert ist, und uns anhören, was er dazu zu sagen hat.«
Mr Unkerton sah den Inspektor an, der nur die Nase rümpfte und den Blick zur Decke hob. Dann nickte ersterer
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