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Der seltsame Mr Quin

Der seltsame Mr Quin

Titel: Der seltsame Mr Quin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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hatte er jede Zeile über Captain Richard Harwells erstaunliches Verschwinden gelesen. Wie alle Zeitungsleser in ganz England hatte er an den Details dieses Verschwindens herumgerätselt und darüber seine eigene Theorie entwickelt.
    »Natürlich«, wiederholte er, »das war ja in Kirtlington Mallet.«
    »In diesem Hause stieg er letzten Winter zur Jagd ab«, erzählte der Wirt. »Ich kannte ihn gut. Ein sehr gut aussehender junger Mann. Nicht dass Sie glauben, er war nicht ganz normal gewesen! Meiner Meinung nach wurde er umgebracht. Ich habe ihn oft mit Miss Le Couteau vorbeireiten sehen. Das ganze Dorf glaubte, sie würden bald ein Paar, und so geschah es dann auch. Eine sehr schöne junge Dame und sehr angesehen, obwohl sie Kanadierin und eine Fremde war. Ach, es ist eine tragische Geschichte! Wir werden die Wahrheit nie erfahren. Es brach ihr das Herz, das ist sicher. Sie haben bestimmt gehört, dass sie das Haus verkaufte und ins Ausland zog. Sie konnte es nicht ertragen, dass alle sie anstarrten und mit dem Finger auf sie zeigten – obwohl sie ganz unschuldig war, das arme Ding. Eine düstere Geschichte, das ist mal sicher.«
    Er schüttelte den Kopf, erinnerte sich dann plötzlich an seine Pflichten und ging hinaus.
    »Eine düstere Geschichte«, wiederholte Mr Quin leise.
    Seine Stimme klang in Mr Sattersways Ohren nach Herausforderung. »Wollen Sie behaupten, dass wir einen Fall klären können, bei dem sogar Scotland Yard aufgeben musste?«, fragte er.
    Der andere machte eine charakteristische Geste.
    »Warum nicht? Die Zeit vergeht. Nach drei Monaten sieht vieles anders aus.«
    »Es ist schon merkwürdig, dass Sie glauben, im Nachhinein sehe man die Dinge besser als in der Gegenwart«, meinte Mr Sattersway zögernd.
    »Je mehr Zeit verstrichen ist, umso schärfer zeigt sich alles in den richtigen Proportionen. Die eigentlichen Zusammenhänge werden deutlich.«
    Für einige Minuten entstand ein Schweigen.
    »Ich bin nicht sicher, dass ich mich noch genau an die Fakten erinnere«, sagte Mr Sattersway langsam.
    »Doch, ich glaube schon«, erwiderte Mr Quin ruhig.
    Auf diese Ermunterung hatte Mr Sattersway eigentlich nur gewartet. Meist fiel ihm im Leben die Rolle des Zuhörers und Zuschauers zu. Nur in Mr Quins Gesellschaft waren die Rollen vertauscht. Hier war Mr Quin der aufmerksame Zuhörer, und Mr Sattersway stand im Rampenlicht.
    »Vor etwa einem Jahr ging Ashley Grange in den Besitz von Miss Eleanor Le Couteau über«, begann er. »Es ist ein wunderschönes, altes Haus, aber es war vernachlässigt und stand viele Jahre leer. Es hätte keine bessere Besitzerin finden können. Miss Le Couteau war Frankokanadierin. Ihre Vorfahren waren während der Französischen Revolution hinüber geflüchtet und hatten ihr eine Sammlung fast unbezahlbarer französischer Antiquitäten hinterlassen. Sie kaufte und sammelte selbst und hatte einen sehr guten und sicheren Geschmack. Das zeigte sich, als sie nach der Tragödie Ashley Grange samt der Einrichtung verkaufen wollte. Mr Cyrus G. Bradburn, der amerikanische Millionär, fackelte nicht lange und bezahlte ihr für das ganze Anwesen samt Möbeln und allem den fantastischen Preis von sechzigtausend Pfund.«
    Mr Sattersway machte eine Pause. »Das ist zwar nicht wichtig für die Geschichte«, räumte er ein, »aber nützlich, um sich die Situation in Erinnerung zu rufen, sozusagen die Atmosphäre um die junge Mrs Harwell.«
    Mr Quin nickte. »Atmosphäre ist immer wichtig«, warf er bedeutungsvoll ein.
    »So bekommen wir ein Bild von dieser jungen Frau«, fuhr der andere fort. »Erst dreiundzwanzig, dunkelhaarig, schön, gebildet und reich – das dürfen wir nicht vergessen! Sie war Waise. Und Mrs St. Clair, eine Dame bester Herkunft, lebte als Gesellschafterin bei ihr. Eleanor Le Couteau hatte die alleinige Verfügungsgewalt über ihr Vermögen, und an Glücksrittern fehlte es nie. Mindestens ein Dutzend junge Habenichtse riss sich um sie bei jeder Gelegenheit, beim Jagen, auf Bällen, wo immer sie auftauchte. Der junge Lord Leccan, die beste Partie weit und breit, bat sie um ihre Hand, aber sie wollte lieber ungebunden bleiben. Das heißt, bis Captain Richard Harwell auftauchte.
    Captain Harwell war im hiesigen Gasthof zur Jagdzeit abgestiegen. Er war ein glänzender Reiter, ein gut aussehender, strahlender Teufelskerl von einem Mann. Erinnern Sie sich an den alten Spruch ›Jung gefreit hat noch niemand gereut‹? Das Sprichwort hat sich hier wenigstens teilweise

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