Der Serienmörder von Paris (German Edition)
herrschte die Tendenz vor, sich zu überarbeiten. Petiot „versuchte sich mit Erfindungsreichtum gleichzeitig mit verschiedenen Aufgaben zu beschäftigen, wobei intellektuelle Begeisterung und eine exzessive Beschäftigung mit wissenschaftlichen Themen“ vorherrschten.
Nicht lange, nachdem er in das Sanatorium eingewiesen worden war – wodurch die Anklagepunkte ausgesetzt wurden –, plädierte Petiot für seine Entlassung. Schon nach 18 Tagen diagnostizierte Dr. Joseph Rogues de Fursac den Kollegen als „ausgeglichen, klar denkend und in keinerlei Hinsicht verwirrt“. Die angeblichen psychischen Probleme schienen sich verflüchtigt zu haben. Am 25. August 1936 stimmte Delmas dem Befund zu und erklärte den Patienten als geheilt. Petiot befand sich laut den Unterlagen „in einem Zustand der mentalen Ausgeglichenheit, der es erlaubt, die Zwangseinweisung aufzuheben und seine unverzügliche Entlassung anzuordnen“. Allerdings erfolgte keine sofortige Entlassung. Daraufhin begannen Marcel und Georgette Petiot Briefe an die Behörden zu schreiben, in denen sie sich für die Entlassung stark machten und um Unterstützung baten.
„Ich bin bei bester geistiger Gesundheit“, schrieb Petiot dem Oberstaatsanwalt am 19. August 1936. „Ich kann auf eine ehrenwerte berufliche Vergangenheit zurückblicken und erfreue mich allgemeiner Hochachtung.“
Letztendlich entschied sich das Gericht dazu, ein Gremium von drei hervorragenden Psychiatern zu berufen, die den Fall untersuchen und eine Empfehlung aussprechen sollten: Dr. Georges Paul Génil Perrin, der Autor von Vorbeugung und Therapie nervlicher und geistiger Funktionsstörungen , unterstützt von den Kollegen Dr. Paul-Marie Maxime Laignel-Lavastine und Henri Claude, Autor von Gerichtsmedizinische Psychiatrie . Petiot empfand die Auswahl als unbefriedigend, um es gelinde auszudrücken. Seiner Ansicht nach sei der erste Arzt wahnsinnig, den zweiten kategorisierte er als „Lustmolch“, der sich bei den weiblichen Patienten einige Freiheiten herausnehme, und den dritten habe man einfach so aus dem Hut gezaubert. Das Gremium beendete auf jeden Fall die Untersuchung von Petiot und reichte die Diagnose am 19. Dezember 1936 ein.
Zwar wirke Petiot „unmoralisch und labil“, jedoch sei er frei von „Delirien, Halluzinationen, Verwirrtheitszuständen, intellektuellen Einschränkungen sowie pathologischen Erregungszuständen und Depressionen“. Kurz zusammengefasst „gab es keine psychopathologischen Auffälligkeiten, die einen längeren Klinikaufenthalt rechtfertigen würden“. Nach Auffassung der Ärzte musste die Zwangseinweisung aufgehoben werden, was am 20. Februar 1937 dann auch geschah.
Im Bericht fand sich eine Passage, die darauf hinwies, dass Petiots Psychiatrie-Aufenthalt „bei möglichen zukünftigen Anklageerhebungen hinsichtlich Straftaten die Urteilsfindung nicht übermäßig beeinflussen sollte“. Die Zwangseinweisung ließ also keinerlei Rückschluss auf eine psychische Beeinträchtigung zu, womit Petiot also voll schuldfähig war.
Würde diese Diagnose einem Antrag auf „nicht zurechnungsfähig“ standhalten? Im November überzeugte Petiot einige Psychiater von der Notwendigkeit einer Unterbringung in einer geschlossenen Anstalt, wohingegen andere die Vermutung hegten, er würde das französische Gesetz nutzen und die Symptome lediglich vorspielen. Die Debatte war noch lange nicht abgeschlossen.
MAL ABGESEHEN VON ALLEM ANDEREN HABE ICH NOCH NIE ETWAS VON EINEM REALEN ODER FIKTIVEN ARZT-CHIRURGEN-BÜRGERMEISTER-MÖRDER GEHÖRT, GANZ ZU SCHWEIGEN VON EINEM SPION, GEHEIMDIENSTAGENTEN, AUTOR, KARIKATURISTEN, ANTIQUITÄTENEXPERTEN ODER MATHEMATIKER, DER IN ALLER SEELENRUHE DEN MORD AN MÖGLICHERWEISE 150 MENSCHEN ZUGIBT … UND HINZUFÜGT, DASS ER DIE ÜBERSICHT VERLOREN HABE.
(Dr. Albert Paul)
I n Zelle 7 des Trakts Sieben im Gefängnis de La Santé musste sich Petiot mit einem kleinen Raum begnügen, der nur 2,70 mal 3,60 Meter maß. In der finsteren Zelle befanden sich ein Bett, einige Decken, ein Wasserhahn, ein Stuhl und ein kleiner, am Boden angeschraubter Tisch. Er las, schrieb stümperhafte Gedichte und machte Skizzen, von denen er einige den bewaffneten Wachen schenkte, die 24 Stunden vor der Zelle Dienst schoben. Er nähte auch, strickte und stickte sogar, und rauchte wie ein Schlot, was ihm den Spitznamen „Die Zigarettenkippe“ einbrachte.
Wenn ihm ein Gefangener einige Zigaretten schenkte, bedankte sich Petiot mit einem kleinen
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