Der Serienmörder von Paris (German Edition)
La Fayette tötete. Die Amerikaner hätten seine Erfindung abgelehnt, was ein großer Fehler gewesen sei. „Ein Fünftonner“, prahlte Petiot, „hätte genügend Waffen transportieren können, um damit die Millionen Deutschen zu liquidieren, die Frankreich unter ihren Schaftstiefeln zermalmten.“
Allerdings weigerte sich Petiot, nähere Angaben zu der vermeintlich tödlichen Waffe zu machen. Für ihn gab es noch zu viele Unwägbarkeiten, und es bestand die Möglichkeit, dass die Deutschen Frankreich erneut überrennen und die Waffe gegen sein eigenes Volk richten würden. Auch wenn das weit hergeholt klingen mochte, so gab es solche Bedenken in gewissen Kreisen, besonders in den ländlichen Regionen Südfrankreichs, durchaus. Damals fürchteten viele Franzosen, dass sich ehemalige Kollaborateure auf dem Land verstecken und die Befreiung zu sabotieren versuchten, in der Hoffnung, ein autoritäres deutschfreundliches Regime zu errichten. Als auch noch eine Hand voll Kollaborateure im Dezember 1944 entdeckt wurde, nachdem sie möglicherweise im Rahmen der Ardennen-Offensive insgeheim nach Frankreich zurückgekehrt waren, klang dieses ungewöhnliche Gerücht recht glaubwürdig.
Dann führte Petiot in seiner überheblichen Art einen weiteren Grund für die Zögerlichkeit an, die Erfindung näher zu beschreiben: Die ihn verhörenden Beamten seien „mit Blick auf das Verständnis wissenschaftlicher Zusammenhänge viel zu ungebildet“.
Als Gollety Petiot darauf hinwies, die Aussage erneut zu überdenken, da ihm ja mit hoher Wahrscheinlichkeit 24 Morde angelastet würden, konterte dieser in unerwarteter Weise, indem er behauptete, dass der Untersuchungsrichter schlecht informiert sei. Er habe nämlich 63 Menschen getötet, die aber – so betonte er es – nicht in seinem Haus zu finden seien, sondern in Gräbern im Wald.
Petiot erklärte Gollety, dass er nach der Entlassung aus der Nazihaft nichts unversucht gelassen habe, um Rache zu üben. Er habe versucht, die Kameraden von Fly-Tox zu erreichen, doch die Organisation sei zerschlagen worden. Die nicht verhafteten Mitglieder hätten sich auf der Flucht befunden. Wieder mit den verbleibenden Mitgliedern in Kontakt zu treten, habe sich als eine große Schwierigkeit herausgestellt, da sie alle den alten Codenamen geändert hätten. Gleichzeitig sträubte sich Petiot, die Kameraden zu suchen, da er wusste, dass die Gestapo häufig Gefangene entließ und sie danach beschattete und ihre Aktivitäten überwachte. Er war sich sicher, beobachtet und verfolgt zu werden, und wollte die Männer des Widerstands in keinerlei Gefahr bringen.
Petiot erzählte zudem von gesundheitlichen Beschwerden, die sich auf die Folter zurückführen ließen: Er leide an schrecklichen Kopfschmerzen und zunehmenden Angstzuständen. Nach der Entlassung aus dem Gefängnis habe er sich krank gefühlt und dringend eine Zeit zur Rekonvaleszenz benötigt, woraufhin er sich entschied, seinen Bruder in Auxerre zu besuchen. Er sei erst am oder um den 8. Februar 1944 in das Pariser Haus in der Rue Le Sueur zurückgekehrt. Das sich ihm bietende Bild habe sich mit einem Faustschlag ins Gesicht vergleichen lassen.
Die Deutschen hätten nicht nur die medizinische Ausrüstung gestohlen, darunter eine Ultraviolettlampe und viele Gerätschaften, die er in der Hoffnung angeschafft habe, sie nach dem Krieg in seiner Klinik einzusetzen, sondern das Gebäude in einem desolaten Zustand verlassen. Das Haus befand sich seiner Aussage nach „in unbeschreiblicher Unordnung. Möbel waren entweder umgekippt oder zerstört und die Schränke leer geräumt worden“. Die alte, wegen der Ratten schon länger versiegelte Dunggrube sei nun offengestanden. Dort hätten sich verschiedene Besitzgegenstände befunden, darunter Werkzeuge, kleinere Instrumente, ein tragbarer Elektroheizer und zwei große Kissen aus dem Wartezimmer der Praxis. In der Grube seien auch einige Leichen gelegen, was Petiot angeblich schockiert habe.
„Die Leichen konnten noch nicht sehr alt gewesen sein“, konstatierte er, womit er andeuten wollte, dass der Tod der Personen zu der Zeit eingetreten sein musste, in der er sich im Gefängnis befand. Die Haut war immer noch rot und die Köpfe schwer, wobei Letzteres darauf hinweise, dass sich das Gehirn noch nicht zersetzt habe, was, wie Petiot erklärte, „schon in einem Frühstadium der Verwesung geschieht“. Der Gestank im Hof, der – man konnte ihn schon so bezeichnen – Haufen von Leichen und
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