Der Serienmörder von Paris (German Edition)
hatte sie ihren Mann zu der Métro-Station L’Étoile begleitet, möglicherweise sogar noch ein Stückchen weiter. Es war dunkel, und die beiden versuchten, nicht gesehen zu werden. Guschinow sollte unbedingt alleine kommen.
Besonders auffällig erschien die Tatsache, dass Reneés Mann der Ort des Treffens vorab mitgeteilt worden war. Es handelte sich um die Rue Pergolèse, die sich mit der Rue Le Sueur kreuzte. In allen Fällen, die die Polizei zu einem späteren Zeitpunkt noch entdecken sollte, gab der Arzt dann nie mehr die Adresse im Voraus bekannt. Hatte er möglicherweise gelernt, vorsichtiger mit den Informationen umzugehen? In diesem ersten Fall tauchte das Pseudonym Dr. Eugène allerdings noch nicht auf, denn da Guschinow von Petiot behandelt wurde, kannte er dessen Identität bereits.
Madame Guschinow setzte ihre Erzählung fort, die für Massu zahlreiche wichtige Anhaltspunkte bot. Ihr Mann wurde an einen Kollegen von Petiot überwiesen, einem Spezialisten für Tropenkrankheiten, der „notwendige Injektionen“ vornahm, mit hoher Wahrscheinlichkeit also Impfungen. Guschinow wurde gebeten, eine spezielle Sonnencreme in seine zwei Koffer einzupacken, zwei Decken und ausgewählte Wertgegenstände. An dem Abend aßen Joachim und Renée noch zusammen, machten danach einen Spaziergang in der Gegend des Arc de Triomphe und gaben sich einen Kuss. Es sollte der letzte sein.
Im März 1942, zwei Monate nach der Flucht ihres Mannes, machte sich Renée bereits große Sorgen, da sie immer noch nichts von ihm gehört hatte. Sie suchte den Arzt auf, den angeblich einzigen möglichen Mittelsmann, um mit einem Flüchtling in der Ferne in Kontakt zu treten. Petiot versicherte der Frau, dass es ihrem Mann gutgehe. Nach den Stationen Marseille und Casablanca habe er Buenos Aires wohlbehalten erreicht. Petiot zeigte ihr eine angeblich von Guschinow an ihn adressierte Postkarte. „Ich bin angekommen. Während der Überfahrt erkrankte ich, bin nun aber wieder vollkommen gesund. Du kannst folgen.“ Mehr stand nicht auf dem Papier – zumindest behauptete Petiot das, denn der Text war in einem Kode verfasst worden. Der Karte war weder ein eindeutiges Datum zu entnehmen, noch sah man eine Briefmarke, Adresse oder Unterschrift. Sie schien in Guschinows Handschrift verfasst worden zu sein.
In jenem Frühjahr erhielt Petiot angeblich noch einen Brief und eine Postkarte mit der postlagernden Adresse „Alvear Palace Hotel, Buenos Aires“, wo Renées Mann laut Petiot lebte. Der Inhalt der Poststücke beschränkte sich auf wenige Details. Guschinow berichtete davon, dass er nach der Trennung fast wahnsinnig geworden und in Tränen ausgebrochen sei, dass die Überfahrt angenehm verlaufen und er sicher angekommen sei. Das Geschäft floriere und er wolle unbedingt, dass seine Frau ihm folge.
Einmal, auf insistierende Nachfrage von Renée, erlaubte Petiot der Frau, die Karte ihres Mannes zu behalten, allerdings nur unter der Bedingung, dass sie das Schriftstück so schnell wie möglich zerreiße, was sie dann auch tat. In der letzten Botschaft drängte Guschinow seine Frau zu einer schnellen Flucht und drohte ihr, die Verbindung abzubrechen, wenn sie dem Wunsch nicht entspreche. Petiot bekräftigte die Dringlichkeit der Anweisung und riet ihr, „alle Habseligkeiten zu verkaufen und so viel Geld wie möglich mitzunehmen“.
Marcel Petiot hatte die Immobilie in der Rue Le Sueur im Mai 1941 von Prinzessin Marie Colloredo-Mansfeld zu einem Preis von 495.000 Francs erworben. Er leistete eine sofortige Zahlung in Höhe von 373.000 Francs und vereinbarte, den Rest in jährlichen Raten von 17.500 Francs zu begleichen. Der Arzt ließ das Gebäude auf den Namen seines Sohnes eintragen, der seit Errichtung des Gebäudes im Jahr 1834 der neunte Besitzer war. Am 11. August 1941 übernahm er das Haus offiziell und begann mit den Renovierungsarbeiten.
Das Unternehmen Laborderie & Minaud hatte schon einige wichtige Umbauten auf dem Gelände erledigt. Zusätzlich zum Guss eines Betonbodens in der Garage, errichteten die Maurer eine höhere Außenwand aus Kalkplatten um den Innenhof herum und zogen eine Innenwand in eines der Gebäude ein, was schließlich den dreieckigen Raum ergab. Dann verkleideten sie den Raum mit einer Wand aus 22 Zentimeter starken soliden Steinen. Nach der Installation eines Gucklochs wurde die falsche Doppeltür angebracht und acht schwere Eisenhaken wurden in die Wand eingelassen. In der Küche des Kellers schlossen die
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