Der Seuche entstiegen: Wie schwarz und wie tot war der Schwarze Tod? (German Edition)
verschlossen waren. Immerhin war es schon der Monat des Augustus und manche Kreuze zeigten den des Janus als Zeit des Abschieds.
Es hieß, die Toten seien den Gräbern einfach entstiegen. Aus den Särgen, durch die Erde zurück auf die Erde.
Und da hörten wir das Scharren und Klopfen in zweien der Gräbern. Da war noch ein Geräusch, was ich aber da noch nicht erkannte. Ein Stöhnen. Ein durchdringendes Stöhnen was die Wiederkehrer begleitet und was einem durch Mark und Bein dringt, wenn man ein einziges Mal mit ihnen zu tun hatte.
‚Sie töten, Herr Luciano. Sie töten die Lebenden und machen so neue Wiederkehrer. Oder sie essen sie.‘
Amadeus, ihr könnt euch nicht vorstellen wie sehr sich mir dieser Satz eingebrannt hat. Mir klingt jede Silbe davon noch im Ohr und ich habe den Blick und das Gesicht des Schmiedes immer noch vor Augen.
‚Wenn ihr immer noch bleiben mögt, so bleibt. Wenn nicht, sei Gott mit euch und beschütze euch auf eurem Weg.‘ Auch das werde ich nie vergessen. Nicht den seltsamen Ton mit dem der Schmied dabei sprach, noch die Frau die neben ihm weinte und sich an seinen Arm klammerte. Wie ich erfuhr war es ihrer beiden Tochter, die in dem Haufen vor sich hin qualmte.
Sie wurde verbrannt, damit sie nicht mehr zurückkommen kann.
Oh Nein, Amadeus. Diese Wesen sind nicht dem jüngsten Gericht entsprungen. Sie scheinen vielmehr direkt aus der Hölle zu uns gekommen zu sein.
Wir blieben in Marienstein. Zwei Nächte nur. Aber die zweite sollte uns verändern und Michele verstummen lassen.‘
Der Blick den Luciano hatte, während er von Marienstein erzählte blieb mir ebenso im Gedächtnis, wie ihm der Blick des Schmiedes. Er war fast leer. Starr. Voller Angst, Hoffnung und Zweifel zugleich.
So als erzähle er etwas, was er aus weiter Ferne beobachtet und das ihm Angst einflößt.
Mir war ohnehin kalt an diesem Abend, aber etwas besonders Kühles kroch mir unter die Kutte und ich rückte näher an das runterbrennende Feuer heran.
Ich hielt meine Hände über das Gemisch aus Glut und Flammen und saugte die Wärme in mich auf, ohne dass sie Wirkung zeigen konnte.
Nein, ich erschauderte innerlich so stark dass ich mich wohl hätte verbrennen mögen und trotzdem gefroren hätte.
So ganz anders als ich dachte war es an dem Feuer. Nicht so warm und trocken und heimelig.
Ich ängstige mich.
Bisher waren die Nachrichten aus dem Süden über die große Krankheit immer weit entfernt.
Man hörte von jemandem der jemanden getroffen hatte, der jemanden kannte, der dort war.
Man hörte von einer Pestilenz, die um sich griff und einen sterben ließ. Schnell, qualvoll und sicher.
War man ergriffen, so war man fast sicher des Todes. Manche blieben verschont, und niemand wusste warum.
Aber dies hier war etwas anderes. Etwas völlig anderes.
Man starb und kehrte zurück? Man sollte auferstehen in Gottes Reich. Jugendlich schön, ohne Krankheiten und voller Freuden in einem ewig währenden Leben. Aber diese kehrten zurück um zu töten und zu fressen?
Verwirrung in meinem Kopf. Ein kleiner, wachsender Teil in mir wollte dem Mann glauben.
Der größere Teil, derjenige welcher die Schriften studiert hatte, der die Heilige Schrift kopiert hatte, der seit Kindheitstagen nichts kannte außer Gottgefälligkeit, derjenige schrie in mir.
Häresie! Ketzerei! Ungläubige!
Wie konnten sie es wagen an Gott zu zweifeln? An seiner Gnade und Barmherzigkeit?
Wie nur? Sie kamen immerhin aus dem Land der Kirche. Italien. Nicht dem fernen Orient, den Ländern der Mauren und falsch Geleiteten.
Und immer wieder zweifelte ein Teil in mir. Dieser kleine Teil.
Der schwarze Tod, der aus dem Orient über uns hereinbrach, war wie eine Geißel für die Menschheit. Dieses andere Übel war dann wohl der Todesstoß für sie. Wenn die auferstehen würden, die an den Beulen starben und sich in Bewegung setzen mochten; wie sollten wir uns schützen? Zweifel in mir. Wohin flüchten?
Wenn uns der Tod nachlief und uns einholen würde. Uns buchstäblich verfolgte. Wohin? Zweifel, Zweifel in mir.
An Schlaf war nicht zu denken. Trotz dass Michele an diesem Abend Wache hielt, fühlte ich mich in Gefahr.
Mehr als ich es jemals zuvor gefühlt hatte, fühlte ich die Nähe des Todes. Nicht nur meines, sondern den aller, die ich kannte.“
Ellie stockte der Atem. Von was bitte schrieb der Mann?
Dass er über die große Pestepidemie aus den 1340er Jahren schrieb war klar, aber was sollte das mit den wandelnden Toten? Wenn das Dokument nicht so alt wäre,
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