Der Seuche entstiegen: Wie schwarz und wie tot war der Schwarze Tod? (German Edition)
Nacht.
Das einzig deutliche Geräusch, was sie vernahm, war das Knirschen des Schnees unter ihren Sohlen, als sie am Ende der Treppe ankam und den Weg zur Straße einschlug.
Ihre Hand schloss sich um die Taschenlampe in ihrer Jackentasche und sie wanderte durch die kalte Luft, die ihr gut tun sollte.
Ellie atmete tief, bis sie die Kälte in ihren Lungen merkte.
Es war nur wenige Grad unter Null, aber irgendwie spürte sie ein Gefühl des Frierens in ihrer Brust, und sie verflachte ihre Atmung etwas.
Allerdings genoss sie den Spaziergang und sann darüber nach, wie es wohl damals gewesen sein musste. Zu Leonhardts Zeiten, als es keine Thermounterwäsche gab. Keine atmungsaktiven Jacken, die doppelt warm hielten, und keine Taschenwärmer oder elektrisch beheizten Socken.
Zu einer Zeit, als der Wind durch tausend Ritzen im Haus pfiff und man die Wahl hatte, zwischen verrauchtem Zimmer oder dem Kältetod.
Wenn sie in dieser Geschwindigkeit weiterlesen würde, dürfte es auch nicht mehr lange dauern dürfen, bis der Priester aus dem Winter des Jahres berichten würde.
Sie vermutete, dass es dann wesentlich weniger aufregend sein dürfte, wie Gerd ja schon aus den Lagerschriften herausgelesen hatte.
Flöhe, Ratten, Bakterien, Menschen, einfach alles bewegte sich in der Kälte langsamer.
Ellie ebenso.
Sie stiefelte lange durch den Schnee. Die Zeit in der Winterlandschaft verging wie im Flug.
Ihre Zwiebeltaktik mit den vielen Schichten Kleidung, hielt sie warm und die Bewegung tat ihr gut. Sie dachte nicht nur über das Geträumte und Gelesene nach. Sie ertappte sich auch dabei, dass ihre Gedanken um Gerd kreisten, den sie sehr mochte.
Sie versuchte zwar, ihn aus dem Gedankenstrom zu verdrängen, aber er war hartnäckig und tauchte immer wieder auf.
Einmal meinte sie sogar, ihn in einiger Entfernung gehen gesehen zu haben. Aber das war wohl eher Einbildung, nachts um mittlerweile fast halb vier Uhr, dachte sie.
Sie versuchte sich ein Bild davon zu machen, was in den Menschen vorging, die Amadeus beschrieb.
Ihre Ängste und Sorgen in der Tongrube. Die Lage, in der sie sich befanden, und die Gedanken, die in ihren Köpfen waren.
Adelheids Gedanken kannte sie gelegentlich. Und sie war eine starke Frau. Viel stärker, als sie selber dachte. Vermutlich war Adelheid durch die totalitäre Erziehung ihres Vaters nicht in der Lage zu erkennen, was einige ihrer wesentlichen Charakterzüge waren. Loyalität und Stärke.
Das zu erkennen, hatte Elvira nur kurze Zeit gekostet. Adelheid würde es vielleicht nie erfahren.
Ebenso würde auch Leonhardt vielleicht nie erkennen welche Gefühle sie für ihn hat, weil er zu sehr damit beschäftigt ist, sein Rollenbild des Führers und Beschützers zu erfüllen.
Sie musste über sich selbst lachen und blieb stehen.
„ Da wirst du nassgeschwitzt mitten in der Nacht wach, frierst wie ein Schneider und gehst spazieren um den Kopf von dem Gelesenen und Geträumten frei zu kriegen. Und was ist das, worüber du denkst? Gelesenes und Geträumtes. Ellie du spinnst .“, dachte sie für sich.
Sie konnte sich nicht lösen. Selbst nicht beim Wandern und Spazieren.
Sie sah zwar ein zweites Paar Fußspuren, dass zur selben Treppe führte, die auch sie nehmen musste, um in ihr Zimmer zu gelangen, aber sie erkannte den Zusammenhang nicht.
Gerd war nur wenige Minuten zuvor die Stufen hinaufgegangen und saß im Schneidersitz auf seinem Bett.
Auch er grübelte noch und fand keinen Schlaf.
Nur war Elvira von Rensdorf schon so eingenommen von den Schriften des Pfaffs, von hinter den Bergen, dass sie selbst jetzt an kaum etwas anderes denken konnte, als sich wieder zu entblättern und den Rest der Nacht zu nutzen um wieder und wieder zu lesen.
Alte Seite für alte Seite, Vorder- für Rückseite der Schriften, Folio recto für Folio verso. Immer und immer weiter.
041
„Als wir die Schänke betraten, herrschte Schweigen im Raum.
Margret und ihre Töchter saßen schweigend beisammen und umarmten sich gegenseitig.
Glücklich dem Tode entronnen zu sein, schwiegen sie in Ehrfurcht.
Die Gruppe um den Vogt steckte in einer anderen Ecke des Raumes die Köpfe zusammen, während die Leute aus der Tongrube um den Kamin herum standen und uns fragend und hoffnungsvoll ansahen.
Leonhardt ging direkten Weges auf die beiden Tonstecher zu und orderte ihre Wache an. Er tat dies in einem Ton, der keinen Widerspruch duldete und ich meine auch die Worte Feigling und Schande gehört zu haben.
Karolus lief auf seinen Bruder
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