Der Seuche entstiegen: Wie schwarz und wie tot war der Schwarze Tod? (German Edition)
schritthalten können, oder euch nur zur Last fallen.‘
Die Frau sprach mit einer sanften, fast lieblichen Stimme und der ganze Hass und Argwohn, die ihr Reden bis dahin ausgemacht hatten, waren entschwunden.
Sie flehte.
‚Ich bitte für meine Töchter. Nehmt sie mit euch.
Hier sind sie verloren, denn mein Bruder der Tor, wird uns hier zu Tode bringen. Dessen bin ich gewiss. Nehmt sie mit euch und sprecht mit der Freiin. Die zwei sind noch jung und können nichts für ihren Onkel, den Idioten.
Nehmt sie mit euch. Ich bitte euch, nein ich flehe euch an.
Sie sind mein Herz und mein Leben.
Und wenn Gerti es zulässt, nehmt auch die Tochter meiner Nichte mit.
Sie ist ein zu zartes Pflänzlein, als dass sie unter der Knute ihres Bruders und Opapas hier weiterhin leben können würde. Sie würde eingehen, wie in einem heißen Sommer ohne Wasser.
Dessen bin ich gewiss.
Legt ihr ein Wort für sie ein? Bei der Freiin?‘
Die Worte der Frau klangen ehrlich und ich musste mit dem Wasser in meinen Augen kämpfen.
Ich sah es vor mir, wie die Wiederkehrer in Aldinroide einfielen und die jungen Frauen jagen würden.
Ich blickte gen Boden und dann in Leons Gesicht.
Er war schon überzeugt.
Das erkannte ich.
Er nickte die Bäuerin an und ging die Treppe hoch zu den Gemächern der Freiin um mit ihr zu sprechen.
Ich kenne das Gespräch nicht, aber er schien sie überzeugt zu haben, oder sie war ohnehin nicht abgeneigt, die Frauen mitzunehmen.
So, oder so, wir waren bereit sie mit uns zu führen. Und sie waren bereit, sich uns anzuschließen.
Auch wenn Margret erst mit ihrer Nichte reden musste, was eher einem Streit denn einem Gespräch glich, so durfte auch Anna uns begleiten.
Wolfgang der Holzfällerriese schlug vor den Weg durch die Heide nach Wanda zu nehmen.
‚Von hier aus gen Südwesten, bis zum Scheuerbach. Diesem folgen wir, bis wir an die Schleifmühle kommen, die dem alten Jupp gehört. Von dort aus führt uns ein Weg nach Wanda.
Es wird zwar etwas schlammig werden, aber in drei oder vier Stunden sollten wir es geschafft haben.‘, erklärte er uns. ‚Je nachdem, wie schnell die Weiber sich bewegen können.‘
Leonhardt wägte ab, aber kam zu dem Schluss, dass es wohl das Beste sein würde, genau diesen Weg zu nehmen.
Wenn wir auch auf einer anderen Route, den Karren würden nutzen können, so würden wir zu nahe an Truhtesdorf kommen, was uns nur unnötiger Gefahr aussetzte.
‚Du kennst den Weg, Wolfgang?‘
‚Ja, natürlich. Ich werde uns führen. Aber auch Martinus kennt ihn. So gut, wie ich auch.‘
‚Dann sei es so. Am Bach entlang und nach Wanda. Morgen früh. Und nun lasst uns Pfeile sammeln.‘
Mit diesen Worten ließen uns die Krieger alleine zurück.
Wir widmeten uns unseren Aufgaben und kurze Zeit später waren Flaschen gefüllt mit Wasser, sowie Decken gestapelt, die uns schützen sollten vor dem Wind der am Morgen schon empfindlich kalt wurde.
Im Stall versammelten sich die Männer, die sich uns anschließen wollten.
Es war den dreien nicht Recht, sich zu entkleiden, das merkte man ihnen sehr wohl an.
Aber Leon war hart und bestand darauf, auch wenn die Männer wohl bis dahin schon Zeichen des Fiebers hätten zeigen müssen.
Sie waren ebenso wenig gebissen worden, wie es die Frauen und Mädchen waren, die in den Gemächern der Freiin ihren Körper zur Untersuchung entblößen mussten.
Ich konnte kein Auge zutun in der Nacht. Ich war aufgeregt und ängstlich. Immer noch.
Obwohl ich so viel Schrecken gesehen hatte und immer wieder sah, wie Jacob, Matthes und Leon die Wiederkehrer niedermetzelten, so erlangte ich nie eine Art Ruhe oder Gleichmut, der mich nicht mehr zittern ließ, weil ich mich in guter Verteidigung wähnte.
Karolus schlief tief und fest im Stroh neben mir. Die Holzfäller zechten die Nacht hindurch und sangen Lieder. Ihr Lachen klang bis zu uns in den Stall, während die Tonstecher immer noch auf Wache standen.
Sie zitterten auf zwiefache Art.
Vor Angst und vor Nachtkälte.
Ich starrte in die Dunkelheit und wartete auf den Morgen, der uns die Rettung bringen sollte.
Nach nunmehr über sechs Wochen auf der Flucht, wollte ich heim. Heim nach Blaubach. Aber ich wusste, dass mir das verwehrt bleiben würde.
Es gab keinen Weg vorbei für mich. Keinen Weg vorbei an den Toten, die die Städte südlich unseres Ortes belagerten, und das ganze Land mit kalter Todeshand umklammerten.
Einerseits war ich zwar ängstlich, aber dennoch froh, dass wir diesen Schritt wagten.
Wir waren schon seit Wochen
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