Der Seuche entstiegen: Wie schwarz und wie tot war der Schwarze Tod? (German Edition)
ins blutende Maul greifen, um mir die Zunge raus zu schneiden.“
Ellie fuhr eine Gänsehaut über den Rücken. Sie erschauderte im Traum, wie sie es nicht für möglich gehalten hatte.
Amadeus hing wie hypnotisiert an den Lippen des Sängers, und winkte abwesend nach Adelheid, die Getränk in seinen Becher schenken sollte.
„Wie es scheint, war der dumme Schorsch dann doch gnädig. Er sprang hampelnd und Possen reißend dazwischen, und verkündete in seiner irren Art, dass man einer Kuh die Zunge auch nicht nähme,
bloß weil sie sich damit am Arsche lecke.
Man hiebe sie und triebe sie,
dann sei wieder Scheck an Schecke.
Oh, wie gerissen.
Die Zunge durfte ich behalten, aber das Fell haben sie mir scheckig gegerbt.
Hundert Stockhiebe und zusätzlich einen für jedes Wort, das ich an diesem Abend gesungen hatte.
Nach zwei Dutzend zählte ich nicht mehr, nach dreien schrie ich nicht mehr.
Mein Rücken war ein einziges Stück rohes Fleisch und der Wachmann hieb immer weiter auf mich ein.
Ich kann nicht sagen, wann mir die Sinne schwanden, aber ich erlebte das Ende der Prügel nicht mehr. Ich erwachte erst tags darauf zwischen den Kühen im Stall der Vorburg, deren Schecken mich fast auslachten.
Meine wenigen Habseligkeiten lagen im Mist neben mir und der Stalljunge hieß mich, mich davon zu machen.
Nun Pfaff, kennt ihr die Geschichte, wie aus Hermann vom Broich, dem beinahe edlen Sänger des Grafen Adolf von Berg, der wandernde, zahnlose, gewissenlose und stille Hermann wurde, den ihr kennt.
Immerhin ist der Scheißkerl ohne Kinder geblieben und vor Jahresfrist verreckt.
Mich freut’s, dass seine Linie ausgestorben ist.
Georg, der Narr, ist immer noch dort. Vermutlich lacht er auch immer noch, wenn er die gescheckten Kühe vor Neuenberge sieht.“
„Ihr seid recht verwegen, oder sollte ich euch dumm schimpfen? Wenn die Dichtkunst mit euch durchbrennt, kümmert euch wenig. Mag das sein?“, stocherte Amadeus nach.
„Das mag wohl sein.“, antwortete der Sänger und setzte eine grübelnde Miene auf.
„Da fällt mir ein passendes Liedlein ein, das ich zum Besten geben könnte.
Ach sehnliches Leiden,
Meiden, Neiden, Scheiden, das tut weh,
ich besser wär versunken in dem See...“
Die Stimme des Sängers wurde verwaschen durch ein Rauschen, wie das einer Brandung.
Die Farben verschmolzen und Konturen flossen ineinander.
Alles wurde zu einem Brei aus Farben und Licht über dem ein Rauschen schwebte.
Die Zeit raste davon und schien doch still zu stehen.
Es war als bremste jemand den Flug, in welche Richtung er auch immer gegangen war.
Vielleicht auch im Kreis? Ellie konnte es nicht sagen.
Sie war fasziniert von dem optischen Eindruck, den sie hatte und saugte das Bild in sich auf, das sich nun herauskristallisierte.
Sie sah Kerzen. Nicht eine oder zwei oder fünf. Nein, es waren sicherlich mehrere Dutzend, die den Raum erhellten.
Sie sah einen Mann in mittlerem Alter, der in weiß verkrusteter Kleidung arbeitete.
Er murmelte etwas; er unterhielt sich. Aber Elvira konnte nicht verstehen, was er sagte.
Der Mann schüttelte den Kopf und nahm einen Eimer zur Hand.
Er redete wieder und Elvira merkte, dass alles um sie herum stumm erschien. Kein Geräusch, kein Ton oder Wort drang an ihr Ohr.
Sie sah den Arbeiter gestikulieren und reden. Dann wieder erschien es ihr, als fluche er wild und er warf etwas zu Boden.
Der Mann setzte sich auf einen zweiten Eimer, der auf dem Kopf stand, und starrte vor sich auf den Boden.
Wieder schüttelte er den Kopf, als wenn er verhindern wollte, etwas hören zu müssen.
Er stand wütend auf und nahm den Gegenstand auf, den er zuvor zu Boden geworfen hatte.
Er hielt eine Maurerkelle in der Hand und winkte mit ihr in eine Richtung, in der Ellie ein Loch in der Wand ausmachte. Die Wände um sie herum waren kahl und erdfarben. Die Luft war feucht und der typische Kalkgeruch einer Baustelle hing in der Luft.
Die Backsteine die gestapelt vor dem Loch lagen, waren beinahe aufgebraucht und sie erkannte, dass die Wand vor ihr nahezu komplett neu errichtet worden war.
Der Maurer nahm einen Stein nach dem anderen, holte Mörtel aus dem Bottich zu seinen Füßen, trug voller Wucht und mit einer Portion Wut Mörtel auf, und positionierte den Stein auf den anderen.
Er hielt inne und redete erneut.
Dann nickte er und Elvira sah Tränen aus seinen Augen rinnen.
Wieder tauchte die Kelle in das hölzerne, rechteckige Gefäß und nahm Mörtel auf.
Sie sah, wie ein Stein in einer Hand lag und der
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