Der Seuche entstiegen: Wie schwarz und wie tot war der Schwarze Tod? (German Edition)
über den Friedhof wandelte und diese Geräusche tatsächlich vernahm.
Amadeus, ich habe sie selbst gehört, wie ich bereits sagte. Sah die offenen Gräber mit eigenen Augen und den Scheiterhaufen auf dem so viele Leiber kohlten. Allerdings erst später und zu der Zeit als er mir sein Herz öffnete, zweifelte ich noch arg.
Wie nicht einmal ein einziges Jahr die Welt und die Art wie man sie sieht verändern kann.
Aber ich schweife ja ab, Bruder.‘ meinte er als ihm das auffiel.
Ich hing derweil an seinen Lippen und die Zweifel in mir wurden immer lauter.
Zweifel. Zweifel in mir.‘
Und wieder war ein Teil des Testamentums zu Ende. Ellie konnte kaum mehr die Augen aufhalten.
Frakturhandschrift in lateinischer Sprache zu lesen war einfach nicht wie das Schmökern einer Tageszeitung. Den Sinn zu verstehen und die teils arg verschachtelten Sätze so im Kopf zu sortieren, dass sie sich ihr erschlossen, war der schwierigere Teil, der zu dem des Lesens alter, verwaschener und verblichener Buchstaben noch hinzukam.
Erschöpft legte sie das Schriftstück aus der Hand, wohlwissend, dass sie sich am frühen Morgen, wenn ihre Augen wieder entspannter und ihre Sinne etwas freier waren, wieder über die Überlieferung des Amadeus hermachen würde. Vor dem Frühstück.
Ein letzter Schluck aus dem Weinglas gab ihr den Abschied in eine unruhige Nacht voller verworrener Träume.
Träume die sie verwirren sollten.
Sechs
Sonne bohrte sich in ihre Augen. Schmerzend und plötzlich.
Klarer Himmel über ihr, grüne Felder um sie herum. Die Luft unsäglich frisch und überall der Duft von Heu, der sie umgab.
Fast war ihr, als schwebe sie. So leichtfüßig ging sie über das Gras unter ihr.
Ellie war verwirrt. So reine Luft, so satte Farben, so natürliche Gerüche. Ungetrübt von den Ausdünstungen der Stadt. Kein Geruch von Straßen und ihrem Verkehr.
Wie zum Teufel kam sie hierher?
Dieses Grün. Unglaublich intensiv kam ihr das Farbenspiel vor. So, als hätte jemand am Fernseher die Einstellungen verdreht.
Sie ließ ihren Blick umherschweifen und erkannte Berge in der Ferne, weißbedeckte Gipfel, ein Dorf samt kleiner Kapellenspitze, die die anderen Gebäude um eine Spur überragte.
Sie sah Felder, die teils bewirtschaftet waren und teils brach lagen. Sie sah Menschen auf den Feldern, die zu arbeiten schienen. Nur fehlten die schweren Geräte. Kein Traktor zu sehen, keine Anhänger, keine Mähdrescher, nichts dergleichen.
Scheinbar bereiteten sie eins der brachen Felder vor.
Sie entschloss sich näher zu gehen, um ihre Neugier zu stillen. Sie sah an sich herab und war verwundert, ob der Kleidung die sie trug. Seit wann trug sie Leinen? Seit wann lief sie barfüßig?
Und im Gegensatz zu den grellen, übersättigten Farben der Natur um sie herum, war ihre Kleidung in schlichtem Braun und Lohfarben gehalten.
Sie setze die Füße voreinander und kam in Bewegung. Sie spürte das Gras zwischen den Zehen und musste lächeln. Angenehmes Kitzeln ging durch ihre Haut. Sie spürte ein längst vergessenes Gefühl durch ihre Beine krabbeln. Leben.
Sie fühlte das Gras und die Steine darin. Spürte die Feuchte und die Halme, wie sie ihre Zehen und Sohlen streichelten. Sie spürte das Blut pulsieren und strömen, und so unbeachtet ihre Füße sonst im Leben waren, so sehr spürte sie sie gerade jetzt.
Und dieses Kribbeln brachte sie ihrem Ziel näher. Den Menschen die auf dem Feld arbeiteten.
Sie erkannte hohes Gras, das geschlagen wurde. Sie sah einen Karren, an dem ein Mann hammerschwingend beschäftigt war und einen Gehilfen, der ihn unterstützte.
Sie winkte den Bauern, die dort Heu machten zu, aber niemand schien sie zu bemerken. Sie waren wohl zu vertieft in ihre Arbeit, die sie auffallend hektisch verrichteten.
Als sie nahe genug war um genau zu sehen, was die Bauern verrichteten, erkannte sie den Grund der Hektik. Scheinbar gab es ein Handgemenge zwischen den Arbeitern. Wortfetzen drangen an ihr Ohr, die sie aber nicht recht verstand. Offensichtlich war eine der Personen mit den anderen in Streit geraten, denn mehrere Männer hantierten mit einem und versuchten ihn zu bändigen, während ein anderer schreiend umherlief; den Arm angewinkelt und mit der zweiten Hand schützend bedeckt.
Der Arbeiter vom Karren unterbrach seine Arbeit und wandte sich dem Geschehen zu, was Ellie nun klar erkennen konnte.
Oh Gott, sie kannte diese Szene.
Sie hatte all das schon einmal gelesen.
Sie sah Amadeus Worte vor sich:
„Wie ein wildes Tier verbiss
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