Der Seuche entstiegen: Wie schwarz und wie tot war der Schwarze Tod? (German Edition)
fühlte.
Sie wusste, dass sie weder eingreifen noch verändern konnte. Aber genauso wusste sie, dass sie mitansehen konnte. Erleben konnte. Auch wenn es ein Produkt ihres Unterbewusstseins war. Auch wenn sie hier nur Dinge verarbeitete, die sie tagsüber gelesen hatte. Einerseits war ihr unwohl, dass sie sich so involvierte in die Erzählung des Pfaffen. Andererseits war es natürlich interessant zuzusehen, wie das Gelesene Gestalt annahm in ihrem Kopf. Und so ließ sie sich treiben in dieser Welt und sah zu wie Josef starb.
Eine Frau trat herein und brachte Wasser in einem hölzernen Gefäß. Setzte sich an das Bett und setzte dem Kranken das Getränk an die Lippen. Dankbar blickte Josef sein Weib an und nahm winzige Schlucke Wasser zu sich.
„Mir ist kalt, Weib. Es ist Sommer und ich friere.“, brachte er zitternd hervor. Die Frau rückte seine Decken gerade und stand auf, scheinbar um noch eine zu holen.
„Du weißt, dass ich dich immer geliebt habe Hedwig. Oder? Du weißt es.“
Hedwig drehte sich zu ihm und nickte nur still. Josefs geröteten Augen haftete auf ihren. Saugten ihren mitleidigen und liebevollen Blick in sich auf.
Wieder erschütterte ein tiefes, hartes Husten den Mann.
„Vom ersten Tag an Hedwig. Vom ersten Tag an.“
Ellie sah, wie Blut aus seiner Nase lief. Dick und rot sammelte es sich auf seiner Lippe, bevor es nach unten lief. Achtlos wischte Josef mit dem Ärmel über sein Gesicht und Elvira sah, dass das nicht das erste Blut war, was er weggewischt hatte. Sein Ärmel war voll mit Geronnenem.
Seine Frau hatte einen fast glücklichen Ausdruck in den Augen.
„Du erkennst mich wieder. Endlich. Ja, Josef. Ich weiß es. Ich wusste es von...“
Ein Krampf durchfuhr ihren Mann, der so stark war, dass Hedwig und Ellie hörten, wie seine Muskeln rissen. Wie kleine Peitschenschläge tönte es durch das Zimmer, durchmengt mit den Schmerzensschreien des Sterbenden.
„Josef. Was soll ich tun?“, wandte sie sich hilflos an ihren Ehemann.
Dieser krampfte weiter und entspannte sich plötzlich. Sein Atem wurde ruhiger und setzte aus.
Der gellende Schrei der Witwe ging unter in gleißendem Licht.
Als das Licht nachließ, so dass sie wieder sehen konnte und der Schrei abgeebbt war, fand sich Ellie an einer Mauer wieder.
Aus groben Steinen mörtelfrei geschichtet, bildete sie eine Einfriedung um eine kleinere Kapelle. Es war dunkel und Ellie hatte kein Zeitgefühl, konnte aber trotzdem alles gut erkennen, da alles um sie herum in ein fahles Licht getaucht war. Am Horizont war zwar der Hauch eines Blau zu erkennen, aber da sie die Himmelrichtungen nicht kannte, konnte sie nicht sagen ob sich der Sonnenaufgang ankündigte oder die Nacht.
Sie ging unterbewusst von ersterem aus, als sie einen Laternenschein sah. Sie hörte Stimmen und erkannte drei Männer unterschiedlicher Größe, die neben der Kapelle miteinander sprachen.
Sie schwebte näher und erkannte Grabsteine und Kreuze. Ihr fiel zwar auf, dass sie keinen Fuß vor den anderen setzte, wunderte sich aber weiter nicht. Sie war ja in einem Traum.
Scheinbar war hier der Friedhof.
Einen der Männer erkannte sie. Hagen, den Schmied. Einer der anderen war sehr groß gewachsen und breitschultrig. Er sah südländisch aus und hatte kurze Haare und einen Spitzbart, wohingegen der Dritte in Hagens Größe war, was Elli auf etwa um eine Handbreit größer als sie selbst schätzte. Also irgendwas um einen Meter siebzig.
Er war schlank, mit einer markanten Nase im sonst hübschen, glatten Gesicht, und seine Haare fielen in dunklen Locken fast bis auf die Schulter. Er war auch der, der die Laterne hielt und sprach.
Sie erkannte einen italienischen Akzent in seinen Worten...
„Und hier soll das sein? Warum in der Nacht, Hagen? Warum nicht noch die kurze Zeit warten, bis die Sonne aufgeht?“
„Weil ihr es so besser hören könnt. Nicht, dass ihr es jemals wieder überhören können werdet, wenn ihr es einmal vernommen habt. Aber man hört des Nachts besser. Lauscht auf die Geräusche im Boden und ihr werdet mir glauben.“
Die zwei Männer beugten sich gen Boden, und Ellie konnte erkennen wie sich ihre Gesichter veränderten, während sie sich konzentrierten.
Entweder war das Geräusch plötzlich sehr laut geworden, oder Ellie hatte im Traum die Ohren einer Katze bekommen, denn auch sie konnte hören, was die zwei Herren hören sollten.
Ein Schaben und Kratzen, als wenn ein Hund an der Tür scharrt. Dann wieder war ein Pochen zu vernehmen und wieder kratzte es.
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