Der Seuche entstiegen: Wie schwarz und wie tot war der Schwarze Tod? (German Edition)
Verlangen danach es zu werden, aber an diesem Tag bereute ich es ernsthaft.
Mehr zappelnd als schwimmend überquerte ich den Rheinarm, bis ich an der Mittelwerth ankam und mich dort ans Ufer zog.
Ich hörte Geräusche vor mir in den Büschen des Uferbewuchses und mein Herz blieb fast augenblicklich stehen.
‚Runter vom Strand und in die Büsche!‘, bellte mir ein leiser Befehl entgegen.
Ich tat wie mir geheißen und kletterte so schnell ich konnte an Land und in Deckung.
‚Da war der Herr mit dir, Amadeus. Wie?‘, stichelte Hanna mich an.
‚Hanna? Dem Herrn sei Dank. Wenigstens ein Mensch der noch zugegen ist. Was ist hier los?‘, fragte ich, wohl wissend, was die Antwort sein würde.
‚Seit kurz vor dem Osterfest sind diese Wesen hier. Sie fallen alles an, was atmet und was ihnen essbar erscheint. Hier auf der Groov sind sie selten, und ich halte sie mir vom Leib.‘
Während dieser Worte tippte sie auf ihr Beil, was sie in der Hand hielt, und das ich erst jetzt entdeckte.
‚In Hergendorf selbst aber, sind sie schon zu Hauf. Soweit ich das sehen kann, ist dort keiner mehr, der nicht tot oder geflohen ist.‘
Die Zweifel schlugen ihre Wurzel in den Boden der kleinen Insel im Rhein.
Und binnen Minuten wuchs daraus ein großer Baum inmitten der Groov, an dem die Früchte der Gewissheit wuchsen.
Ich hatte sie gesehen, die widerlichen Wesen, von denen Luciano Saltonato erzählt hatte.
Nicht nur das, ich hatte sie gesehen, gehört und wäre ihnen um ein Haar zum Mahle geworden.
Immer wieder sah ich – und sehe ich noch heute- wie sie meinen Esel zerrissen.
Das Blut und die Eingeweide verfolgen mich noch immer.
Auch wenn ich danach noch öfter sehen musste, wie Menschen und Tiere ihnen in die Klauen gerieten und einfach roh verschlungen wurden ohne deren Tod abzuwarten, so ist es doch Franziskus den ich in meinen Träumen da liegen sehe, und dessen Schreie durch meinen Kopf schallen, als passiere es jetzt in diesem Augenblick.
Hanna führte in ihrer eigentümlichen Art aus, dass das Übel wohl aus dem Wasser gekommen war.
Zunächst blieben die Fische aus, die ansonsten täglich eingeholt wurden.
‚Dann wurde ein Mädchen gebissen, als es ungefähr dort, wo ihr gelandet seid, gespielt hatte.
Ihr kanntet doch die kleine Katherina, oder?
Sie war gerne hier bei mir. Und ich mochte sie. Sie sah mich nie so seltsam an, wie all die anderen im Dorf.‘
Katherina. Natürlich kannte ich sie.
‚Wie ich hörte stand sie von ihrem Totenbett auf, nachdem sie einen Tag gelegen hatte.
Erst hielten sie es noch für ein Wunder, aber als sie dann ihre Mutter biss, war es wohl vorbei mit dem Glauben daran.
Vier Männer hat es gebraucht um sie zu bändigen, und man sperrte sie keifend und beißend in den Wehrturm.‘
Ich starrte sie an, denn das war fast identisch mit dem, was ich aus dem Alpendorf gehört hatte.
‚Danach ging es wohl auch bald mit ihrer Mutter zu Ende und zwei weiteren, die sie verletzt hatte.
Und kurze Zeit danach zogen die Fischer ein weiteres Wesen aus dem Rhein, was sich in ihrem Netz verfangen hatte. Einer der Fischer – ihr kanntet Julius? – verlor einen Finger und einen Teil der Hand, als ihm hineingebissen wurde.‘
Natürlich kannte ich Julius. Wie fast jeden in Hergendorf.
Von mir getauft vor kaum zwanzig Jahren, und herangewachsen zu einem Baum von einem Mann.
‚Auch ihn hat es dahingerafft. Und auch er entstieg dem Totenbett. Und die Trauernden flohen in alle Richtungen.‘
Also kamen die Wesen scheinbar von der anderen Rheinseite.
Und wie es mir scheint, so muss auf der linken Seite des Rheines die Seuche noch schneller vorangeschritten sein, als auf der Unsrigen, denn bereits nur drei Wochen, nachdem ich Köln verlassen hatte, gab es die ersten Angriffe auf die hiesigen Juden, die man als Verursacher des Übels erkannt zu haben meinte.
Sie hätten die Brunnen vergiftet hieß es und, was – wie ich damals noch dachte - wohl wahrscheinlicher war, dass Gott uns bestrafe für die Beherbergung der Juden.
Viel später erfuhr ich, dass diese Verfolgungen sich durch die Länder zogen, wie die Seuche daselbst es tat.
In Köln brannte man in der Bartholomäusnacht das ganze Judenviertel nieder und über Tausend Menschen wurden geprügelt, verbannt und gepeinigt, wie es den Menschen beliebte.
Wer sein Heil nicht in der Flucht suchte, wurde erschlagen oder verbrannt. Oder beides.
Selbst bis vor einer Dekade waren noch keine Juden wieder in Köln ansässig, sondern fanden sich erst in
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