Der Sichelmoerder von Zons
schlau. Alles was ich bisher von Bastian Mühlenberg gelesen habe, war glasklar und verständlich niedergeschrieben, doch an dieser Stelle hier fängt er plötzlich an, in Rätseln zu schreiben. In den Kapiteln vorher schreibt er über die St. Sebastianus-Schützenbruderschaft aus Zons und über den ermordeten Fahnenträger Benedict Eschenbach. Dann folgt ein kurzer Abschnitt über verschwundene Personen. Sie sind alle innerhalb von ein paar Monaten verschwunden und waren wie vom Erdboden verschluckt. Hier steht auch, dass der Vetter des Arztes Josef Hesemann plötzlich verschwand. Er hieß Conrad und lebte als Mönch im Kloster Knechtsteden. Er war oft bei Josef in Zons und half ihm, die Kranken zu betreuen und zu trösten. Doch hier hört die Schrift einfach auf. Er schreibt von einem Treffen mit Pfarrer Johannes und dann sehe ich nur noch Hieroglyphen. Die drei Zeichen hier sehen aus wie Schlüssel. Auf der nächsten Seite ist ein großer Schlüssel abgebildet.“
Emily hielt einen der drei alten Schlüssel an die Abbildung. Die Umrisse stimmten genau überein.
„Sieh dir das mal an, Anna!“
Anna runzelte die Stirn. Sie erinnerte sich noch gut an die letzten Recherchen von Emily. Sie konnte alte Schriften hervorragend entziffern. Doch teilweise waren die Seiten des Notizbuches beschädigt und vergilbt. Die Jahrhunderte hatten ihre Spuren hinterlassen. Und wenn das Original nichts mehr hergab, konnten die Kopien schließlich auch nicht besser sein.
„Hattest du nicht damals ein Spezialunternehmen damit beauftragt, die Seiten wiederherzustellen?“
„Ja, aber das hier ist anders. Die Zeichen sind nicht verschwommen oder undeutlich. Sieh doch selbst.“
Mit einem leichten Seufzer richtete Anna sich auf und stützte sich dabei auf dem kalten Heizkörper ab. Viel lieber hätte sie mit Emily über Oliver Bergmann gesprochen. Sie selbst wäre gerne wieder verliebt und im Augenblick konnte sie Emilys Euphorie für die neue Reportage nicht so recht nachvollziehen. Es war doch nur ein Job! Anna richtete sich auf und rutschte dabei mit der linken Hand von der Heizung ab. Ein leises vibrierendes Geräusch ertönte. Sie wollte einen kleinen Schritt nach vorne machen, setzte ihren Fuß auf und wäre fast auf einem Blatt Papier ausgerutscht, welches sich plötzlich vor ihr auf dem Boden befand. Es musste unter dem Heizkörper festgesteckt haben. Anna bückte sich und hob es auf.
„Was ist das denn für ein altes Stück Papier?“
XI
Vor fünfhundert Jahren
Bastian hatte den dritten Schlüssel auf sein Notizbuch gelegt und zeichnete die Umrisse mit einer dünnen Feder exakt nach. Neben ihm ertönte ein Stöhnen. Wernhart litt immer noch unter Bauchkrämpfen. Das Rizinusöl, welches der Arzt Josef Hesemann ihm als Abführmittel verordnet hatte, tat ganze Arbeit und wirkte stärker als vermutet. Wernhart tat ihm furchtbar leid. Er sah ganz grün im Gesicht aus. Andererseits wären sie ohne das Rizinusöl niemals an den Schlüssel herangekommen, den Wernhart in seiner Verzweiflung einfach hinuntergeschluckt hatte. Es war wirklich eine glorreiche Idee von Josef, einfach solange abzuwarten, bis der verschluckte Schlüssel mit Wernharts Verdauung ausgeschieden wurde. Einen anderen Weg gab es nicht, schließlich hätten sie ihn nicht aufschneiden können.
Der Arzt trat in die kleine Kammer ein und brachte Wernhart einen großen Krug mit Wasser.
„Hier, trinkt das mein Freund. Es tut dem Leib nicht gut, auszutrocknen. Wir sind nicht anders als all die Pflanzen um uns herum, ohne Wasser verdorren wir.“
Wernhart trank hastig das kühle Nass. Dann wischte er sich über die Lippen und für einen Moment verschwand die grüne Farbe aus seinem Gesicht. Erschöpft ließ er sich zurück auf sein Lager fallen.
„Bastian, bevor du dich auf den Weg zu Pfarrer Johannes begibst, muss ich dir noch etwas berichten.“
Josef wollte sich zum Gehen wenden, um die beiden nicht in ihrem Gespräch zu stören, doch Bastian hielt ihn am Ärmel fest.
„Bleibt Josef. Ich vertraue auf Eure Verschwiegenheit und Treue.“
Josef nickte erfreut und setzte sich zu Bastian. Wernhart begann erneut mit zittriger Stimme zu sprechen.
„Als ich im Schlafgemach von Huppertz stand, kurz bevor er aufgewacht ist und mich überrumpelt hat, habe ich ein Gefäß mit Goldgulden entdeckt. Ich schätze, es waren mindestens zweihundert Stück.“
„Bist du dir sicher?“
Wernhart nickte und hielt sich dabei seinen krampfenden Bauch.
„Woher
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