Der siebente Sohn
Feuerstelle. Dort auf dem Sims sah er ein geschnitztes Bild; in seinem verwirrten Zustand konnte er es nicht sofort erkennen. Es schien das Gesicht einer gequälten Seele zu sein, umgeben von zuckenden Fangarmen. Flammen, dachte er, und da ist eine Seele, die in Pech und Schwefel ertrinkt, im Höllenfeuer verbrennt. Das Bild war ihm eine Qual, und erfüllte ihn gleichzeitig mit Befriedigung, denn seine Gegenwart in diesem Haus zeigte, wie eng diese Familie mit der Hölle verbunden war. Er stand inmitten seiner Feinde. Ein Satz des Psalmisten kam ihm in den Sinn: Stiere von Bashan zieht mich an, und ich kann all meine Knochen zählen. Mein Gott, mein Gott, warum hast Du mich verlassen?
»Hier«, sagte Goody Faith. »Nehmt Platz.«
»Ist der Junge in Ordnung?« wollte Miller wissen.
»Der Junge?« fragte Thrower. Er konnte kaum sprechen. Der Junge ist ein Ungeheuer aus Sheol, und du fragst, wie es ihm geht? »Den Umständen entsprechend«, sagte Thrower.
Da wandten sie sich ab und kehrten zu ihrem Gespräch zurück. Nach und nach verstand er, worüber sie sprachen. Es schien, als wollte Alvin, daß jemand ihm den erkrankten Teil seines Knochens wegsägte. Measure hatte sogar eine feinzahnige Knochensäge aus dem Schuppen mitgebracht. Der Streit fand zwischen Faith und Measure statt, weil Faith nicht wollte, daß irgend jemand ihren Sohn aufschnitt, und zwischen Miller und den beiden anderen, weil Miller sich weigerte, es zu tun, während Faith nur bereit war einzuwilligen, wenn Alvins Vater das Schneiden selbst übernahm.
»Wenn du glaubst, daß es getan werden sollte«, sagte Faith, »dann verstehe ich nicht, wie du wollen kannst, daß irgend jemand außer dir selbst es tut.«
»Ich nicht«, sagte Miller.
»Er hat nach dir gefragt, Pa. Er hat gesagt, er wird die Schnitte vorher auf dem Bein markieren. Du brauchst nur ein Stück Haut aufschneiden und zurücklegen, darunter liegt dann der Knochen, und schneidest du die schlimme Stelle heraus.«
»Normalerweise falle ich eigentlich nicht in Ohnmacht«, sagte Faith, »aber mir wird gerade schwindlig.«
»Wenn Al Junior sagt, es soll getan werden, dann tut es!« sagte Miller. »Aber nicht ich!«
Und da schaute Reverend Thrower, wie einen Lichtstrahl in einem dunklen Zimmer, seine Erlösung. Der Herr bot ihm genau die Gelegenheit, die der Besucher ihm prophezeit hatte. Die Gelegenheit, ein Messer in der Hand zu halten, damit in das Bein des Jungen hineinzuschneiden und aus Versehen die Arterie zu durchtrennen und das Blut so lange zu vergießen, bis das Leben aus ihm gewichen war. Wovor er in der Kirche zurückgeschreckt war, weil er Alvin für einen einfachen Jungen gehalten hatte, das würde er nun freudig tun, jetzt, da er den Teufel in einer Kindergestalt geschaut hatte.
»Ich bin bereit«, sagte Thrower.
Sie sah ihn an.
»Ich bin zwar kein Arzt«, sagte er, »aber ich verstehe etwas von Anatomie. Ich bin schließlich Wissenschaftler.«
»Kopfhöcker«, sagte Miller.
»Habt Ihr schon jemals Rinder oder Schweine geschlachtet?« fragte Measure.
»Measure«, rief seine Mutter entsetzt. »Dein Bruder ist doch kein Tier!«
»Ich wollte nur wissen, ob er sich gleich übergibt, sobald er Blut sieht.«
»Ich habe schon Blut gesehen«, sagte Thrower. »Und ich habe auch keine Furcht, wenn das Schneiden der Erlösung dient.«
»Oh, Reverend Thrower, das können wir doch nicht von Euch verlangen«, sagte Goody Faith.
»Nun erkenne ich, daß es vielleicht doch die Eingebung war, die mich heute hierher geführt hat, nachdem ich diesem Hause so lange ferngeblieben bin.«
»Was Euch hierher geführt hat, war mein törichter Schwiegersohn«, brummte Miller.
»Nun«, sagte Thrower, »es war ja nur ein Gedanke. Ich kann verstehen, daß Ihr nicht wollt, daß ich es tue, und kann es Euch gewiß nicht verübeln. Auch wenn es bedeutet, das Leben Eures Sohnes zu retten, so ist es doch immer eine gefährliche Sache, einem Fremden zu gestatten, in den Körper Eures Kindes hineinzuschneiden.«
»Ihr seid kein Fremder«, widersprach Faith.
»Was, wenn etwas falsch verläuft? Seine Verletzung könnte die Bahn bestimmter Blutgefäße verändert haben. Ich könnte eine Arterie durchtrennen, dann würde er in wenigen Augenblicken verbluten. Dann klebte das Blut Eures Kindes an meinen Händen.«
»Reverend Thrower«, sagte Faith, »einen Unfall können wir Euch nicht zur Last legen. Wir können es nur versuchen.«
»Es ist sicher, daß er sterben wird, wenn wir nicht irgend
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