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Der siebente Sohn

Der siebente Sohn

Titel: Der siebente Sohn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Orson Scott Card
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den Himmel emporzog, verriet ihm, daß er wohl nicht ganz falsch geraten hatte. Es gab einen weiteren Haushalt in der Nähe, der den Pfad mit dem anderen teilte, was wiederum bedeutete, daß es sich wahrscheinlich um Verwandtschaft handelte. Zweifellos verheiratete Kinder, und alle bestellten das Land gemeinsam, um des größeren Wohlstands aller willen. Es war eine gute Sache, wußte Geschichtentauscher, wenn Brüder so aufwachsen konnten, daß sie einander gern genug hatten, um gegenseitig ihre Äcker zu pflügen.
    Geschichtentauscher ging stets auf das Haus zu. Es war besser, sein Kommen sofort anzukündigen, als umherzuschleichen und für einen Räuber gehalten zu werden. Doch als er sich diesmal dem Haus nähern wollte, merkte er, wie er ganz plötzlich sehr benommen wurde und sich nicht mehr erinnern konnte, was er zu tun beabsichtigt hatte. Ein solch mächtiger Abwehrschutz ergriff ihn, daß er gar nicht spürte, wie er fortgetrieben worden war, bis er schon die halbe Strecke den Hügel hinuntergegangen war, auf ein Steingebäude neben einem Bach zu. Erblieb abrupt stehen, verängstigt, denn niemand besaß genug Macht, dachte er, um ihn zurückzudrängen, ohne daß er merkte, was geschah. Dieser Ort war ebenso seltsam wie die beiden vorhergehenden, und er wollte nichts damit zu tun haben.
    Doch als er versuchte, umzukehren, denselben Weg zurückzunehmen, den er gekommen war, geschah wieder das gleiche. Er stellte fest, wie er den Hügel hinunter auf das Gebäude mit den Steinmauern zuging.
    Wieder blieb er stehen, und diesmal murmelte er: »Wer immer du bist und was immer du willst, entweder gehe ich aus eigenem, freiem Willen oder überhaupt nicht.«
    Sogleich spürte er in seinem Rücken eine Brise, die ihn auf das Gebäude zuschob. Aber er wußte auch, daß er umkehren konnte, wenn er wollte. Gegen den Widerstand der Brise zwar, aber er hätte es gekonnt. Das beruhigte ihn erheblich. Was immer es für Zwänge waren, die man ihm auferlegt hatte, sie waren jedenfalls nicht dazu gedacht, ihn zu versklaven. Und das, so wußte er, war eines der Merkmale eines gütigen Zaubers – und nicht der verborgenen Fesseln eines Peinigers.
    Der Pfad machte eine leichte Biegung nach links, den Bach entlang, und nun erkannte er, daß das Gebäude eine Mühle war, denn es gab da einen Fluder und ein großes Rad, das sich dort befand, wo für gewöhnlich das Wasser floß. Doch heute strömte kein Wasser im Fluder, und als er nahe genug herangekommen war, um durch die riesige, scheunengroße Tür zu spähen, entdeckte er auch, warum. Die Mühle war nicht nur für den Winter geschlossen, sie war noch nie benutzt worden. Die Zahnräder waren alle angebracht, aber der große runde Mühlstein war nicht vorhanden. Es gab nur ein Fundament aus behauenen Kopfsteinen.
    Die Mühle war mindestens fünf Jahre alt, nach dem Efeu und dem Moosbewuchs zu urteilen. Es war sehr viel Arbeit gewesen, dieses Mühlhaus zu bauen, und doch wurde es als gewöhnlicher Heuschober verwendet.
    Im Inneren, hinter der großen Tür, schaukelte ein Wagen vor und zurück, auf dem zwei Jungen, auf einer halben Ladung Heu stehend, miteinander balgten. Die Jungen waren offensichtlich Brüder, der eine ungefähr zwölf Jahre alt, der andere vielleicht neun, und der einzige Grund, weshalb der Jüngere nicht vom Wagen geworfen wurde, war der, daß der ältere Junge sich vor Lachen kaum halten konnte. Natürlich bemerkten sie Geschichtentauscher nicht.
    Sie achteten auch nicht auf den Mann, der am Rande des Heubodens stand, eine Mistgabel in der Hand, und zu ihnen hinuntersah. Geschichtentauscher glaubte erst, daß der Mann sie voller Stolz betrachtete, wie ein Vater. Doch dann kam er nahe genug, um zu erkennen, wie er die Gabel hielt. Wie einen Speer, wurfbereit. Einen einzigen Moment lang sah Geschichtentauscher vor sich, was geschehen würde – wie die Gabel geworfen wurde, sich ins Fleisch eines der Jungen bohrte und ihn mit Sicherheit tötete. Es war Mord, was Geschichtentauscher schaute.
    »Nein!« rief er. Er stürzte durch die Tür, seitlich am Wagen entlang und blickte zu dem Mann auf dem Heuboden empor.
    Der Mann stieß die Gabel ins Heu neben sich und hob es über den Rand auf den Wagen, wo noch immer die beiden Jungen rangelten. »Ich habe euch hierher gebracht, um zu arbeiten, ihr beiden Bärenjungen, und nicht, damit ihr miteinander balgt.«
    Der Mann lächelte. Er blinzelte Geschichtentauscher zu. Ganz so, als hätte ihm nicht einen Moment zuvor die

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