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Der siebente Sohn

Der siebente Sohn

Titel: Der siebente Sohn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Orson Scott Card
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plötzlich mit aller Macht in dieselbe Richtung, in die Miller schob. Meistens genügte das, um einen größeren Mann zum Sturz zu bringen – doch Alvin Miller war vorbereitet, riß in die andere Richtung und schleuderte Geschichtentauscher so weit, daß er mitten zwischen den Steinen landete, die das Fundament für den fehlenden Mühlstein bildeten.
    Es hatte keine böse Absicht darin gelegen, sondern nur die reine Freude am Wettkampf. Kaum lag Geschichtentauscher am Boden, als Miller ihm auch schon wieder aufhalf und fragte, ob er sich irgend etwas gebrochen habe.
    »Ich bin ja nur froh, daß Euer Mühlstein noch nicht an Ort und Stelle war«, meinte Geschichtentauscher, »sonst könntet Ihr mir nämlich jetzt wieder das Gehirn in den Kopf zurückschieben.«
    »Wie bitte? Ihr seid hier im Wobbish-Land, Mann! Hier draußen braucht man kein Gehirn!«
    »Nun, Ihr habt mich also geworfen«, sagte Geschichtentauscher. »Bedeutet das jetzt, daß Ihr es mir nicht gestatten werdet, mir ein Bett und eine Mahlzeit zu verdienen?«
    »Zu verdienen? Nein, mein Herr. So etwas dulde ich nicht.«
    Doch das Grinsen auf seinem Gesicht sprach der Härte seiner Worte Hohn. »Nein, nein, Ihr könnt arbeiten, wenn ihr mögt, weil ein Mann gerne das Gefühl hat, sich sein Auskommen zu verdienen. Aber die Wahrheit ist, daß ich Euch auch bleiben ließe, wenn Ihr zwei gebrochene Beine hättet und uns keinerlei Hilfe wärt. Wir haben ein Bett, das für Euch bereit steht, und ich verwette eine Sau gegen eine Heidelbeere, daß die Jungs Faith bereits gesagt haben, sie soll noch eine Schüssel für das Abendessen bereitstellen.«
    »Das ist gütig von Euch, Sir.«
    »Nicht der Rede wert«, erwiderte Alvin Miller. »Seid Ihr sicher, daß Ihr Euch nichts gebrochen habt? Ihr seid wirklich ziemlich hart auf die Steine geprallt.«
    »Dann nehme ich an, daß Ihr wohl lieber nachsehen solltet, ob keiner von diesen Steinen zerbrochen ist, Sir.«
    Alvin lachte wieder, klopfte ihm auf den Rücken und führte ihn zum Haus.
    Und was für ein Haus das war! Nicht einmal in der Hölle hätte es mehr Gekreische und Gebrüll geben können. Miller versuchte, ihm alle Kinder einzeln vorzustellen. Doch seine vier älteren Töchter waren mit einem halben Dutzend Aufgaben so beschäftigt, wie man es sich nur denken konnte, jede von ihnen im Streit mit allen anderen, von einer Zankerei zur anderen wandernd, während ihre Arbeit sie von einem Zimmer ins andere führte. Das schreiende Baby war ein Enkelkind, ebenso die fünf Kleinkinder, die auf und unter dem Eßtisch Rundköpfe und Cavaliers spielten. Die Mutter, Faith, schien das laute Drumherum gar nicht zu bemerken, während sie in der Küche arbeitete. Gelegentlich streckte sie den Arm vor, um irgendein Kind zu knuffen, doch ansonsten ließ sie sich bei ihrem Werk nicht unterbrechen – und ebensowenig in ihrem ständigen Strom von Befehlen, Zurechtweisungen, Drohungen und Beschwerden. »Wie bewahrt Ihr Euch in alledem noch den Verstand?« fragte Geschichtentauscher sie.
    »Verstand?« fragte sie ihn scharf. »Meint Ihr etwa, daß jemand, der Verstand hätte, so etwas ertragen könnte?«
    Miller führte ihn in einen Nebenraum: »Euer Zimmer, solange Ihr bleiben wollt.«
    Ein großes Bett stand da mit einem Federkissen und mehreren Decken, und die eine Wand grenzte an den Kamin, so daß es warm war. Ein solches Zimmer hatte man Geschichtentauscher während seiner ganzen Wanderschaft noch nie angeboten. »Versprecht mir nur, daß Euer Name in Wirklichkeit nicht Prokrustes ist«, sagte er.
    Miller verstand die Anspielung nicht, doch das spielte keine Rolle, denn er deutete den Ausdruck auf Geschichtentauschers Gesicht richtig. »Geschichtentauscher, wir bringen unsere Gäste nicht im schlechtesten Zimmer unter, sondern im besten. Und jetzt will ich kein Wort mehr davon hören.«
    »Dann müßt Ihr mich aber auch morgen für Euch arbeiten lassen.«
    »Oh, es gibt viel zu tun, wenn Ihr geschickte Hände habt. Und wenn Ihr Euch nicht schämt, Frauenarbeit zu tun, so könnte meine Frau durchaus eine Hilfe gebrauchen. Wir werden sehen, was der Tag bringt.«
    Mit diesen Worte verließ Miller den Raum und schloß die Tür hinter sich.
    Die Tür dämpfte den Lärm des Hauses kaum, doch er glich einer Musik, die Geschichtentauscher zu hören nichts ausmachte. Es war erst Nachmittag, doch er nahm sein Bündel ab und zog die Stiefel aus, dann ließ er sich auf der Matratze nieder. Sie raschelte wie eine Strohzecke, es lag

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