Der siebte Kreis des Wissens - Covenant 02
hab's gesehen.« Mit erheblicher Mühe bezähmte er seine sinnlose Wut, unterdrückte sie mit fast gewaltsamer Plötzlichkeit. »Mein alter Plan war gut, solange er Erfolgsaussichten hatte«, ergänzte er. »Auf seiner Grundlage können jetzt bloß noch zwei Dinge geschehen. Falls der Riese sein Heer in Wellen von jeweils zehn- oder zwanzigtausend Kämpfern vorschickt, kann die Schlacht sich wochenlang hinziehen. Aber wir haben bloß Vorräte für höchstens sechs Tage ... wir müßten hier verhungern. Und falls er auf einen Schlag durchzubrechen versucht, kann er ohne weiteres beide Enden des Unheilswinkels besetzen. Dann säßen wir selbst in der Falle, und er könnte uns den Garaus machen, wie's ihm gerade in den Kram paßt.« Wieder fing er an zu schreien. »Nun hört mir gut zu!« fuhr er die niedergeschmetterten Scharwarte an. »Ich lasse uns nicht hier abschlachten, solange ich dagegen etwas tun kann! Irgend etwas! Und es gibt eine Möglichkeit, eine einzige! In diesem Spiel kann ich noch einen Trick anwenden, und ich werde es damit versuchen, und wenn ich jeden einzelnen von euch auf meinem Rücken wegtragen muß.« Er schaute sich im Kreis um, bemühte sich, seiner augenlosen Musterung Autorität einzuflößen, Befehlsgewalt auszustrahlen, irgendeine Art von Kraft, die das Kriegsheer dazu brachte, ihm weiterhin zu gehorchen. »Wir marschieren morgen früh beim Anbruch der Dämmerung ab.«
Die Dunkelheit vernebelte seine Sicht, aber der Feuerschein erhellte ihm Quaans Miene. Der alte Veteran stand ein inneres Ringen aus, focht darum, die Kräfte zur Bewältigung dieser neuen Zumutung zu finden. Quaan schloß für einen Moment die Augen, und alle Scharwarte ließen ihm das Wort, als habe er ihren Mut in der Hand, als läge es bei ihm, ihn nach Belieben aufrechtzuerhalten oder ihnen abzusprechen. Als er die Lider hob, schien sein Gesicht vor Erschöpfung zu schrumpfen. Aber seine Stimme klang fest. »Wohin werden wir ziehen, Streitmark?«
»Vorerst nach Westen«, antwortete Troy eilig, »in die Richtung dieser alten Ruinen. Es dürfte nicht zu hart werden. Wenn wir die Sache richtig anpacken, können wir langsamer als bisher marschieren.«
»Willst du uns deinen Plan nicht erklären?«
»Nein.« Troy fühlte sich zu der Bemerkung versucht: Wenn ich ihn euch verrate, würde euch ein solches Entsetzen in die Knochen fahren, daß ihr mir nicht mehr gehorcht. »Ich möchte ihn zunächst für mich behalten«, fügte er statt dessen bloß hinzu. »Um ihn ausreifen zu lassen. Ihr müßt mir vertrauen.« In seinen Ohren klangen seine eigenen Äußerungen wie der Ruf eines Mannes, der vom Baum fällt und den Leuten drunten zuruft, er werde sie schon auffangen.
»Streitmark«, sagte Quaan förmlich, »du weißt, daß wir dir jederzeit vertrauen. Wir allesamt bringen dir volles Vertrauen entgegen.«
»Ja, ich weiß.« Troy seufzte. Plötzlich packte ihn Müdigkeit, und er konnte kaum noch die eigene Stimme hören. Seit er Schwelgenstein verlassen hatte, war er schon ein ganzes Stück weit gefallen. Fehleinschätzungen hatten seine großartigen Ideen aller Lebensfähigkeit beraubt, sie ihrer Macht entkleidet, das Land zu retten. Er fragte sich, wie viele andere Dinge ihm noch entrissen werden mochten, bis dieser Krieg vorbei war. Ein ausgedehnter Moment verstrich, ehe er genug Energie zum Weitersprechen fand. »Eines noch. Es muß sein – wir haben keine Wahl. Wir müssen einige Krieger zurücklassen, die versuchen, den Unheilswinkel so lange wie möglich zu halten ... um Markschänder glauben zu machen, wir säßen noch hier ... seinen Marsch zu verzögern. Es handelt sich um reinen Selbstmord, deshalb müssen's Freiwillige sein. Zwei oder drei Fähnlein dürften genügen, um diesen Zweck zu erfüllen.«
Quaan und Amorine nahmen seine Worte gleichmütig auf; sie waren Krieger und mit dieser Art des Denkens vertraut. Doch bevor Troy noch irgend etwas hinzufügen konnte, sprang erneut Lord Verement in den Kreis ums Lagerfeuer. »Nein!« schnauzte er und rammte das Ende seines Stabs auf den Untergrund. »Kein Krieger bleibt zurück. Ich untersag's!«
Troy vermochte ihn nun, da er nah am Feuer stand, deutlich zu sehen. Sein hageres Gesicht sah nun so scharfkantig aus, als sei es an einem Schleifstein bearbeitet worden, und seine Augen glühten vor Schärfe.
Auf einmal fühlte sich Troys Kehle knochentrocken an. »Lord Verement«, meinte er mühsam, »es tut mir leid. Ich habe keine Wahl. Dieser Marsch wird die
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